Premier Johnson träumt vom „Saudi Arabien der Windenergie“
Windparks seien „nicht in der Lage, die Haut von Milchreis abzuziehen,“ tönte Boris Johnson noch 2013 gegen Windenergie.
Jetzt will der Premier Großbritannien zum „Saudi Arabien der Windenergie“ machen. Johnson kündigte diese Vision als Teil eines „grünen“ Wiederaufbaus nach der Corona-Krise in einer Rede beim virtuellen Parteitag der Konservativen an. Er will 176 Millionen Euro investieren und 60.000 neue Arbeitsstellen schaffen, damit Offshore-, also Küsten-Wind bis 2030 „mehr als genug Strom produziert, um jedes Heim zu versorgen.“
Kapazität vervierfachen
Und er erklärte: „Offshore-Wind blies in die Segel von Drake, Raleigh und Nelson und trieb dieses Land zu kommerzieller Größe.“
Großbritanniens jährliche Offshore-Wind-Kapazität liegt bei rund 10 Gigawatt (GW) und deckt etwa 32 Terawattstunden oder 10 Prozent seines Strombedarfs ab (inklusive Onshore-Wind sind es 20 Prozent.) Bis 2030 sollen 40 Gigawatt produziert werden.
Ed Miliband von der oppositionellen Labour Party kritisierte aber, dass das grüne Engagement der Regierung „verblasst im Vergleich“ mit anderen europäischen Staaten. Und ein konservativer Parlamentarier warnte vor Corona-Ablenkungsversuchen: „Glauben wir wirklich, dass 160 Millionen Pfund für schwimmende Windmühlen das alles vergessen lassen wird?“
Experten erwarten, dass die Erreichung des Ziels teurer und länger dauern wird als erhofft. „Es ist sehr ehrgeizig, denn es gibt viele Herausforderungen,“ erklärt Martin Anderson von der Forschungs- und Beratungsfirma Aurora Energy Research dem KURIER. Die geplante Windenergie-Expansion wäre „dreimal so viel wie in den 2010ern. Dies würde die Installation einer Turbine an jedem Wochentag und Investitionen von fast 55 Milliarden Euro erfordern.“
Wirtschaftlich ist Windenergie laut Experten mittlerweile auch günstiger als Gas, die Hauptenergiequelle im Land mit 41 Prozent. Und sie ist, wie Johnson sagte, rein und auf einer Insel „fast unbegrenzt.“ Windstrom kostet heute auch weniger als die Hälfte des prognostizierten Preises von Hinkley Point, einem Atomkraftwerk, das in einigen Jahren in Somerset öffnen und 3,3 GW pro Jahr produzieren soll.
Die Frage ist, ob die Briten genügend Windparks bauen können. „Derzeit erstrecken sie sich vor allem über die Irische See, Ärmelkanal, Nordsee und Ostschottland,“ weiß Anderson.
In Gegenden wie Dover und anderswo treffen Anlagen bisher auf zu tiefes Wasser oder Hindernisse bei Baugenehmigungen. „Es gibt Probleme wie Schifffahrtswege und NIMBYismus,“ eine englische Phrase für „Not In My BackYard“ (Nicht in meinem Hinterhof), sagt Anderson. Denn Anrainer stellen sich manchmal gegen Windparks, auch wenn sie diese anderswo unterstützen würden.
Hier könnten schwimmende Windanlagen, die derzeit noch teuer sind, aber laut Johnson vermehrt eingesetzt werden sollen, weil sie weit entfernt von der Küste und in starken Windgebieten stationiert werden können, helfen. „Sollten schwimmende Anlagen wirtschaftlich rentabel werden, kann dies weitere Regionen erschließen, insbesondere auch an der Westküste Schottlands,“ sagt Anderson.
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