Die reichen Brexiteers ziehen Leine
Jim Ratcliffe übersiedelt nach Monaco. Der reichste Brite, der mit seinem Petrochemiekonzern Ineos ein Vermögen von umgerechnet 19,3 Milliarden Euro angehäuft hat, muss nun weder Einkommen noch Dividenden versteuern.
Nachdem Bloomberg diese Nachricht veröffentlicht hatte, waren die Kommentare vernichtend. Ausgerechnet Jim Ratcliffe zieht Leine. Der 67-Jährige bezeichnete sich immer als „zutiefst britisch“, der Weltmann war einer der vehementesten Befürworter des Brexit. Noch vor zwei Jahren hatte er versichert, in Großbritannien zu bleiben.
Der Heimkehrer
Jim Ratcliffe hatte der Brexit-Debatte vor der Abstimmung im Juni 2016 einen ganz besonderen Spin gegeben: 2010 hatte er seine Konzern-Zentrale nämlich aus steuerlichen Gründen in die Schweiz verlegt. Sechs Jahre später kam er wegen der Brexit-Debatte zurück nach Großbritannien. Seinen Auszug in die Schweiz hatte er damals werbewirksam bereut. Er habe wohl völlig falsch und nur an Steuervermeidung gedacht. Dabei sei er durch und durch Brite, ein Patriot.
An der Seite des heutigen Premiers Boris Johnson legte er sich in der aufgeheizten Stimmung für die „Vote Leave“-Bewegung ins Zeug und versprach dem Land den Himmel auf Erden. Das glaubten dann auch 52 Prozent der Briten, die für den EU-Austritt stimmten.
Auch andere, sehr reiche Briten haben ihr Vermögen längst im Ausland gebunkert. Etwa James Dyson. Der Erfinder des beutellosen Staubsaugers lebt mittlerweile in Singapur. In einer Prachtvilla inmitten eines riesigen, subtropischen Parks. Auch er hatte sich für den Brexit ins Zeug gelegt und versprochen, dass dem Land ohne EU eine wirtschaftlich hervorragende Zukunft beschert sein würde.
Der heute 73-jährige Dyson zählt zu den 1.000 reichsten Menschen weltweit, Forbes schätzt sein Vermögen auf 6,4 Milliarden Dollar. Von der Queen wurde Dyson zum Sir geadelt und zuletzt im Juli 2016 geehrt. Noch Ende 2018 forderte Dyson den ungeregelten Brexit und einen Abbruch der Verhandlungen mit der EU. Im Jänner 2019 verlegte er seine Konzernzentrale Dyson Ltd nach Singapur.
Offenbar haben die reichen Briten also längst ihren Traum vom „Steuerparadies Großbritannien“ begraben.
Als exemplarischer Fall für Doppelmoral und Volkstäuschung gilt auch Jacob Rees-Mogg (51): Der ultrakonservative Landadelige und Tory-Abgeordnete aus dem Wahlkreis North East Somerset ist vor allem durch die Erbschaften seiner Frau Multi-Millionär geworden. Der Vater von fünf Söhnen und einer Tochter hat Großteile seines Geldvermögens, nämlich zwei Fonds seiner Firma Somerset Capital Management, im irischen Dublin aufgelegt, also in der EU.
Lord Hochnase
Doch das hinderte ihn nie daran, für den harten Brexit einzutreten. „Lord Snooty“ (Lord Hochnase) bewohnt ein Haus nahe der Westminster Abbey in London und ein elisabethanisches Landhaus im Gartenparadies Somerset.
Der erzkonservative Katholik ist Abtreibungsgegner und gegen die gleichgeschlechtlichen Ehe, er traf sich mit dem amerikanischen Rechtsaußen Steve Bannon. Rees-Moggs Vater war lange Herausgeber der angesehenen britischen Tageszeitung The Times. Der Sohn ist der typische Abkömmling der englischen Oberschicht, ausgebildet in Eton und Oxford, abgehoben und blind gegenüber Ansprüchen normaler Menschen.
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