Präsidenten-Stichwahl in Chile: Ultra-Rechts gegen Ultra-Links
Antonio Kast ist neunfacher Vater und streng-gläubiger Katholik. Er lehnt die Homo-Ehe ebenso ab wie Abtreibungen und hat sich nie klar vom Terrorregime Augusto Pinochets (1973 bis 1990) distanziert.
Dennoch haben am Sonntag 28 Prozent der Wähler in Chile dafür gestimmt, dass der Sohn eines deutschen Wehrmachtsoffiziers ihr nächster Staatschef sein soll. Sie sehen in dem 55-jährigen Neoliberalen einen Garanten für Recht und Ordnung. Der bisherige konservative Präsident Sebastian Pinera durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren.
Kast hat das Präsidentenamt noch nicht in der Tasche, er muss sich am 19. Dezember einer Stichwahl stellen. Dass er dabei auf den Ex-Studentenführer Gabriel Boric trifft, zeigt, wie gespalten das noch vor wenigen Jahren weitgehend stabile Chile ist.
Der 35-jährige Sohn kroatischer und katalanischer Einwanderer, der 25 Prozent der Stimmen bekam, gilt als stark linksgerichtet – weshalb Kast die Wähler vor einer „Venezolanisierung“ des Landes warnt.
Massenproteste und neue Verfassung
Boric geißelt bei seinen Auftritten die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich im Land, die er als Erbe der wirtschaftsliberalen Pinochet-Ära sieht. Chile hat zwar eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika und viele Multimillionäre, aber auch eine hohe Zahl an sozial Schwachen.
Viele Menschen sind verschuldet, unter anderem wegen hoher Kosten für Bildung und private Pensionen. Vor zwei Jahren entlud sich die Unzufriedenheit darüber in Massenprotesten, in deren Folge seit diesem Juli an einer neuen Verfassung gearbeitet wird (die bisherige stammt aus der Pinochet-Zeit).
Nachhilfe von Bolsonaro
Mit seinem linken Wahlprogramm, das Reformen im Pensions- und Gesundheitssystem, Klimaschutz sowie mehr Frauenrechte verspricht, hatte Boric seinen Konkurrenten Kast in den Umfragen lange klar auf den zweiten Platz verwiesen.
Kast, der bei den letzten Präsidentenwahlen 2017 lediglich acht Prozent der Stimmen geholt hatte, galt mit seinen erzkonservativen Ansichten und teils an Donald Trump erinnernden Ideen als kaum wählbarer Außenseiter. So schlug er etwa vor, Zuwanderer durch tiefe Gräben an der Grenze abzuhalten, und trat für die Abschaffung des Schadenersatzssystems für Opfer der Militärdiktatur ein.
Doch Kast lernte von seinem rechts-populistischen Freund Jair Bolsonaro, der seit bald drei Jahren 2019 in Brasilien an der Staatsspitze steht. Er investierte stark in seinen Internetauftritt, gibt sich dort volksnah und bescheiden. Er profitierte von der gestiegenen (Drogen-)Kriminalität und politischen Gewalt im Land - und ist plötzlich für viele doch wählbar.
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