Polexit? Rechtskonservative lassen Geist aus der Flasche

Polexit? Rechtskonservative lassen Geist aus der Flasche
Die Polen sind der EU gegenüber positiv eigestellt - doch es ist nicht alle eitel Wonne an der Weichsel.

In der vergangenen Woche sah der Brexit-Politiker Nigel Farage Polen – neben Dänemark und Italien – als nächsten Ausstiegskandidaten. Dies löste heftige Diskussionen aus. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dementierte, das sei so wahrscheinlich wie ein „Germanexit“, und verwies auf die proeuropäische Einstellung der Bevölkerung.

Umfragen vom Samstag gaben ihm Recht – 89 Prozent wünscht einen Verbleib in der Europäischen Union. Doch gibt es auch Sorgen: 42 Prozent glauben, dass die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zum Austritt führen kann.

Seit ihrem Wahlsieg 2015 baut die Partei die Gewaltenteilung ab und macht die Gerichtsbarkeit zu einem Teil des Staates, was die EU-Kommission zu mehreren Rechtsstaatlichkeitsverfahren veranlasste.

 

Kritik der Opposition

Auch Politiker des konservativ-liberalen Oppositionsbündnisses „Bürgerkoalition“ warnen vor einem Polexit– die Präsidentschaftskandidatin Malgorzota Kidawa-Blonska will dies zu einem Thema für die Wahlen im Frühjahr machen: „Ich sorge dafür, dass dies nicht eintritt!“, kündigte sie kämpferisch von den Abschiedsfeierlichkeiten aus London an.

Robert Biedron, der Präsidentschaftskandidat der Linken, meint beim Auftreten der Nationalkonservativen Ähnlichkeiten zu Nigel Farage zu erkennen: „Wohin die Rhetorik führt, sehen wir jetzt.“

Tatsächlich gab es letztens viele abfällige Äußerungen – eine Abgeordnete der PiS nannte die EU-Fahne einen „Lappen“, Staatspräsident Andrzej Duda sprach von einer „imaginären Gemeinschaft“, die den Polen nicht viel bringe. Dies, obwohl sein Land größter Nettoempfänger ist. Aus der Geschichte bedingt, ertragen Polen keinerlei Druck von außen. Von den PiS-Politikern wird dies genutzt, um Stimmung zu machen.

Weitere Reibungen zwischen Warschau und Brüssel sind vorprogrammiert. Da der Nettozahler Großbritannien fehlt, werden auch die Gelder für den Haushalt 2021 bis 2027 nicht mehr so üppig an die Empfängerländer fließen. Mateusz Morawiecki hat bereits angekündigt, dass er das nicht hinnehmen werde. Doch ob die PiS wirklich einen Ausstieg plant, ist noch nicht abzusehen, ökonomisch ergibt dies keinen Sinn. Der Geist ist allerdings aus der Flasche.Jens Mattern, Warschau

Kommentare