Polen und Ungarn lassen Einigung zu EU-Haushalt mit Veto platzen

Ungarns Premier Viktor Orban
Milliarden-Coronahilfen bleiben blockiert, weil Budapest und Warschau neuen Rechtsstaatsmechanismus ablehnen

„Sklaverei“ – nichts weniger als das drohende Ende der polnischen Souveränität sieht Justizminister Zbigniew Ziobro in einem der weitreichendsten Beschlüsse der Europäischen Union: EU-Staaten, die gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen, können künftig die Gelder gekürzt werden.

Dagegen laufen die rechts-nationale Regierungen in Warschau sowie in Budapest Sturm. Verhindern konnten sie dies allerdings nicht: Beim Botschafter-Treffen der 27-EU-Mitgliedsstaaten wurde der Beschluss am Montag mehrheitlich angenommen.

Damit hat die EU erstmals eine wirksame Waffe gegen Rechtsstaatssünder in der Hand. Und vor allem Polen und Ungarn müssen fürchten, sanktioniert zu werden.

Doch die Retourkutsche – mit ungleich brutaleren Konsequenzen – sollte alsbald folgen: Ungarn und Polen legten wie angedroht ihr Veto gegen den siebenjährigen EU-Haushalt und den 750 Milliarden schweren Corona-Wiederaufbaufonds ein. Damit bleiben fast 1.800 Milliarden Euro, die Europa nach den Verwüstungen der Coronakrise dringend brauchen würde, vorerst auf Eis.

Kein Geld aus Brüssel

Das Absurde dabei: Ungarn, das pro Kopf die höchsten EU-Gelder aus Brüssel bezieht, schneidet sich selbst ins eigene Fleisch. Sieben Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds werden nicht Richtung Ungarn fließen – und im Staatshaushalt werden vier Prozent seiner Mittel fehlen, die gewöhnlich aus dem EU-Haushalt nach Budapest überwiesen werden.

Größter Nettoempfänger

Polen wiederum ist der mit Abstand größte Nettoempfänger von EU-Geldern. Nicht zuletzt deswegen hatten viele in Brüssel die Vetodrohungen von Ungarns Premier Viktor Orban und seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki zunächst für einen Bluff gehalten.

Auch der zuvor zuversichtliche EU-Budgetkommissar Johannes Hahn hatte darauf vertraut, dass „verantwortungsvolle Politiker gut beraten sind zu schauen, dass die vereinbarten Mittel so schnell wie möglich fließen können.“ Er appellierte an die EU-Regierungschefs: "Hier geht es nicht um Ideologien, sondern um Hilfe für unsere Bürger in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg!.Zugeständnisse an Orban lehnte Österreichs Kommissar ab.

Das Drama um den EU-Haushalt und vor allem um die dringend benötigen 750 Milliarden aus dem Wiederaufbaufonds geht damit in die nächste Runde.

Zunächst werden sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem für Donnerstag Abend angesetzten Videogipfel damit befassen. Und aller Augen werden sich wieder auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel richten. Nur ihr wird zugetraut, Orban und Morawiecki doch noch eine Zustimmung abzuringen.

Auch hinter den Kulissen werden die Verhandlungen weitergeführt, wobei ein mit den Gesprächen vertrauter EU-Diplomat gegenüber dem KURIER die Hoffnung äußerte: „Wir werden sehen, ob Orban für das eigene Publikum das Drama braucht – und letztlich dann doch nachgibt.“

Mit ihrer Forderung werden sich Polen und Ungarn jedenfalls nicht durchsetzen: Der so mühsam errungene Rechtsstaatsmechanismus wird nicht mehr abgeschafft – andernfalls droht eine ganze Reihe von EU-Staaten und das gesamte Europäische Parlament die Budgeteinigung zu blockieren.

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