Während Italien unter der neuerlichen Hitzewelle dieses Sommers stöhnt, erhitzt das politische Chaos zusätzlich die Gemüter. Innenminister Matteo Salvini, der die Krise losgetreten hat, macht sogar ein paar Tage Pause von seiner Strandtour.
Mit Partnerin Francesca urlaubt er gerade in der toskanischen Villa von Denis Verdini, dem Vater seiner Freundin. Verdini senior ist ein Forza-Italia-Politiker und gilt als Vertrauter von Silvio Berlusconi. Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo versammelte die Führungsspitze der Bewegung ebenfalls in seiner Sommervilla in der Toskana um sich.
Politologen skizzieren indessen mögliche Auswege aus der Krise: Diese reichen von Neuwahlen im Oktober, einer Koalition aus Fünf Sternen und Demokratischer Partei (PD), einem Technokraten-Kabinett bis hin zu einer Neuauflage der Lega-Fünf-Sterne-Regierung.
Für heute, Dienstag, wird eine Ansprache von Premier Giuseppe Conte im Parlament erwartet. Die Lega hat am 9. August im Parlament überraschend einen Misstrauensantrag gegen den Regierungschef eingereicht.
Präsident im Fokus
Als Vorwand diente Salvini die Vorgangsweise seines Koalitionspartners, der gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse Turin–Lyon stimmte. Im Falle eines Rücktritts von Conte ist das Verhandlungsgeschick von Staatspräsident Sergio Mattarella gefragt, der einen Ausweg aus der Krise finden muss.
Vorstellbar wäre, dass er eine Expertenregierung einsetzt, die das in Brüssel dringend erwartete Budgetgesetz für 2020 verabschiedet. Neuwahlen würden in diesem Fall erst
im Frühjahr 2020 stattfinden. Die Lega ist jedoch strikt gegen ein Kabinett aus Fachleuten.
Lega-Chef Salvini drängt auf rasche Neuwahlen – am liebsten bereits im Herbst. Er möchte die Gunst der Stunde seines Umfragehochs nützen. Im Fall eines Sieges bei Neuwahlen will er zum Premier aufrücken.
In letzter Zeit war auch die Rede von einer möglichen Allianz zwischen Fünf Sternen und der Oppositionspartei PD (Mitte-links). Inhaltlich würden die beiden in vielen Punkten besser zusammenpassen. Für diese Option sprach sich etwa Ex-Premier Romano Prodi aus. Er würde den EU-freundlichen Kurs dieser Koalitionsregierung begrüßen.
Anders sieht die Lage der PD-Politiker Carlo Calenda. Eine Allianz mit den Fünf Sternen bedeute für die PD das politische Ende, seine Partei habe nichts mit den „Cinque Stelle“ gemeinsam. Komme es zu einer Regierung mit der Bewegung, sei er zum Austritt aus der PD und zur Gründung einer eigenen Partei bereit, erklärte Calenda.
Auch bei den Fünf Sternen gibt es Widerstand: „Unsere Bewegung wird nie mit (Ex-Premier Matteo) Renzi verhandeln“, kommentierte ein Fünf-Sterne-Minister. Bevor es tatsächlich zu einer Koalition käme, gäbe es auf beiden Seiten noch zahlreiche parteiinterne Hürden zu überwinden.
Sicher aber will die Führung der Fünf-Sterne-Bewegung nicht mehr mit der Lega weiterregieren. Der Innenminister sei kein glaubwürdiger Partner mehr, zeigte sich Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio nach 14-monatiger Amtszeit von Salvini „enttäuscht“.
Salvini hat, nachdem sein Pokerspiel mit raschen Neuwahlen scheitern könnte, einige Versöhnungsversuche in Richtung der „Grillini“ unternommen. „Mein Handy ist immer an“, ließ er Di Maio ausrichten. Doch davon wollen die Fünf Sterne nichts mehr wissen. Sie sind verärgert über den Vertrauensbruch des Lega-Chefs. Die Fünf-Sterne-Bewegung, als stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament, steht nach wie vor geschlossen hinter dem parteilosen Premier Conte.
Österreichische Wirtschaft verunsichert
Die Regierungskrise in Rom sorgt auch für Verunsicherung im österreichischen Außenhandel. Italien ist Österreich zweitwichtigster Handelspartner und drittgrößtes Exportland hinter Deutschland und den USA.
Nach einem kräftigen Exportplus von 7,2 Prozent auf 9,8 Mrd. Euro im Vorjahr bremste sich der Warenhandel heuer etwas ein. Von Jänner bis Mai gab es jedoch noch ein Export-Plus von 1,5 Prozent auf rund 4 Mrd. Euro. „Wir erwarten auch für das Gesamtjahr noch leicht steigende Zahlen, aber nicht mehr in der Dynamik des Vorjahres“, sagt Gudrun Hager, Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Mailand.
Die Stimmungslage in der Wirtschaft sei jetzt im August noch von den Ferien (Ferragosto) geprägt, politische Unsicherheit sei aber nie gut fürs Geschäft. Italien sei aber ein „traditionell verlässlicher und wichtiger Wirtschaftspartner“.
Schon aus historischen Gründen sind die Länder wirtschaftlich eng verflochten. Beispiel Triest: Der Adria-Hafen war bereits in der Monarchie eine zentrale Handelsdrehscheibe. Als Teil der maritimen Seidenstraße der Chinesen gewinnt Triest wieder an Bedeutung und kooperiert für den Weitertransport der Waren eng mit dem Schienengüter-Verkehr der ÖBB (Rail Cargo).
Die Zollformalitäten sollen künftig nicht mehr am Hafen, sondern im zentralen Logistik-Center Austria Süd in Fürnitz bei Villach stattfinden. Vom Zollkorridor zwischen Italien und Kärnten profitieren somit alle.
Der Großteil der Handelsbeziehungen spielt sich in Norditalien ab, vor allem in den Regionen Lombardei, Venetien, Trentino-Südtirol und Friaul-Julisch-Venetien. Hier sind die meisten der rund 450 Austro-Niederlassungen angesiedelt. Wichtigste Exportgüter sind Maschinen- und Metallwaren, pharmazeutische Produkte sowie Kunststoffe. Jüngster Austro-Deal: Die Tiroler Koch Media übernahm die Mailänder Gaming-Firma Milestone mit 200 Mitarbeitern.
Kommentare