Peru ruft nach einer Woche der Gewalt den Ausnahmezustand aus
Seit Präsident Castillo verhaftet wurde, haben seine Anhänger das Land lahmgelegt. Weil keine Züge fahren, sitzen 800 Touristen am Machu Picchu fest – auch Österreicher.
Vor eineinhalb Jahren, nur wenige Tage vor der Stichwahl um das peruanische Präsidentenamt, drohte der linke Kandidat Pedro Castillo vor seinen Anhängern, eine Niederlage nicht anerkennen zu wollen: „Sollte ein dunkles Spiel gespielt werden“, sagte er damals, „werde ich das Volk zusammenrufen, damit seine Stimme sich durchsetzt“.
Der ehemalige Dorfschullehrer und Gewerkschafter, der nie zuvor ein politisches Amt innehatte, gewann – er hatte vor allem die arme Landbevölkerung und die Indigenen hinter sich – und regierte eineinhalb Jahre lang höchst umstritten, bis er vor einer Woche vom Parlament abgesetzt wurde. Seine Anhänger reagierten, indem sie landesweit auf die Straße gingen. Proteste, stillgelegte Bahnstrecken, Schüsse und Tote versetzen das Land seither in Aufruhr. Castillos Drohung von einst hallt angesichts dessen besonders nach.
Weil die Gewalt in den letzten Tagen zunahm, rief die Regierung in Lima am Mittwochabend für 30 Tage den nationalen Ausnahmezustand aus. In dieser Zeit sollen die Polizei und das Militär die „innere Ordnung wiederherstellen“, wie es heißt.
Versuchter Putsch
Während seiner Präsidentschaft hatte der polarisierende Castillo unentwegt unter Druck gestanden. Nicht nur, weil das ohnehin schon arme Peru seit Beginn der Corona-Pandemie in einer gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise steckt – auch Korruptions- und Plagiatsvorwürfe gegen den Präsidenten und öffentlich ausgetragene Streitereien mit Ministern lähmten seine Regierung.
Zwei Misstrauensanträge im Parlament konnte Castillo überstehen. Der dritte, eingebracht am vergangenen Mittwoch, drohte ihm erstmals gefährlich zu werden, auch wenn peruanische Medien noch darüber spekuliert hatten, ob sich tatsächlich eine Mehrheit gegen Castillo finden würde. Doch der Mann mit dem Hut ließ es erst gar nicht darauf ankommen.
Er suchte den Machtkampf, versuchte seinerseits, den Kongress per Dekret aufzulösen – und scheiterte krachend. Sowohl die Opposition als auch sein eigenes Kabinett sahen darin den Versuch eines Staatsstreichs. Castillo wurde nicht nur seines Amtes enthoben, sondern noch in der Nacht wegen des Vorwurfs der Rebellion verhaftet. Die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte übernahm die Regierung.
Seit einer Woche stürmen die vielen, glühenden Anhänger Castillos nun vor allem in der Hauptstadt Lima sowie im armen Süden und Südosten Perus auf die Straßen, um für seine Freilassung zu protestieren. Sie blockieren Straßen und Bahngleise. Mindestens 47 Menschen starben bereits bei Zusammenstößen mit der Polizei, darunter zwei Minderjährige.
Touristen sitzen auf Machu Picchu fest
Der Ausnahmezustand verleiht den Behörden nun zwar größere Befugnisse, Neu-Präsidentin Boluarte ging am Donnerstag aber auch auf eine Forderung der Demonstranten ein: Sie kündigte an, schon im Winter 2023 vorgezogene Wahlen abhalten zu wollen. Ursprünglich wäre erst 2026 neu gewählt worden.
Ein kleines Drama findet unterdessen auf dem Weltkulturerbe Machu Picchu statt: Weil durch die Unruhen die Bahnstrecke zwischen der Großstadt Cusco und der Touristenattraktion nicht mehr befahren werden kann, saßen am Donnerstag rund 800 Touristen auf dem Berg mit den weltbekannten Inka-Ruinen fest. „Wir kommen hier nicht weg“, sagte eine israelische Urlauberin gegenüber AFP. „Ich bin mit meinen Kindern unterwegs, es ist wirklich ein Problem.“
Unter den Festsitzenden sind auch „weniger als zehn“ österreichische Touristen, wie das Außenministerium in Wien mitteilte. Sie stünden in ständigem Austausch mit der österreichischen Botschaft.
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