Aber Ungarn ist gemeinsam mit der Slowakei und Tschechien ja eh ausgenommen vom Öl-Embargo der EU.
Russland kann die Pipeline für Öl und Gas trotzdem schließen. Und dann haben wir alle ein Problem.
Wie bereitet sich Ungarn auf dieses Szenario vor?
Die Regierung hat in den letzten zwölf Jahren alles versucht, um die Energieversorgung zu diversifizieren. Von einer kompletten Unabhängigkeit von russischem Gas sind wir weit entfernt, aber das sind andere Länder genauso sehr, sehen Sie sich Deutschland an. Wir arbeiten an unserer Beziehung zu Polen, der Slowakei, Kroatien und unterstützen vor allem Rumänien bei seinen Ausbauplänen des Gasfeldes im Schwarzen Meer.
Aber Orbán ist doch regelmäßig nach Moskau gefahren, um billigeres Öl und Gas auszuhandeln. Und auch beim Ausbau der Atomkraft ist Ungarn von russischen Unternehmen abhängig.
Diese enge politische Beziehung, die Sie dem Ministerpräsidenten und Putin unterstellen, die gibt es nicht. Die ist nicht enger als zwischen Deutschland und Russland. Die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas und russischer Technologie in der Atomkraft ist eine historische Beziehung, keine politische. Russland war einfach die billigste und attraktivste Energiequelle am Markt.
Aber dann gibt es auch keine Energiediversifizierung, wie Sie es behaupten.
Rückblickend ist es immer einfacher, Entscheidungen zu kritisieren, aber sinnvoll ist es nicht. Wir wussten nicht, was mit der Ukraine oder der Krim passieren würde. Ungarn ging diesen Weg nicht alleine, Deutschland machte sich mit Nord Stream 1 und North Stream 2 genauso abhängig.
Unter uns: Der Krieg wird irgendwann enden, und Russland wird als potenzielle Energiequelle bestehen bleiben – ob mit oder ohne Putin, ganz gleich, wie viel ideologisches Wunschdenken Sie haben. Jetzt die Entscheidung zu treffen, sich von Russland energiepolitisch komplett abzukoppeln, ist vielleicht keine gute Idee.
Wie steht Ungarn zur Ukraine als EU–Beitrittskandidat? In der Vergangenheit gab es aber immer wieder Konflikte zwischen Budapest und Kiew.
Wir waren unter den ersten Ländern, die den Beitrittskandidatenstatus forderten. Es liegt in unserem Interesse, dass es einen stabilen Puffer zwischen uns und Russland gibt.
Grund für den Konflikt ist die Beschränkung der Rechte der ungarischen Sprache und Minderheit. Für einen EU-Beitritt muss die Ukraine dieselbe Kriterien erfüllen wie andere Länder, dazu zählt auch der Schutz der Rechte ethnischer Minderheiten. Somit wird sich der Konflikt von selbst lösen.
Wenn nicht, droht Ungarn wieder mit einem Veto ein, so wie bei so vielen Entscheidungen?
Wir machen das nicht gerne. Überhaupt nutzt Ungarn sein Veto-Recht kaum, es ist nur der letzte Ausweg. Wir zeigen damit auf, wo die Kompetenzen der EU enden und die der Nationalstaaten beginnen. Und das soll auch so bleiben. Die Vereinigten Staaten von Europa sind eine Utopie.
Im Frühling hat Brüssel Ungarn wegen seiner Rechtsstaatlichkeit kritisiert. Hat Budapest darauf bereits reagiert?
Ungarns Position ist klar: Das ist eine politische Hexenjagd. Ungarn erfüllt jegliche Bedingungen der EU, aber sie tut es nicht. Dieses Geld gehört uns, das ist kein Geschenk, keine Subvention, es steht uns zu. Das Geld wird aus wirtschaftlichen Gründen verteilt. Dass es zurückgehalten wird, ist eine rein subjektive politische Entscheidung.
Ist Ungarn abhängig von dem Geld aus Brüssel?
Es hilft, die Frage richtig zu formulieren, wenn Sie eine Antwort darauf wollen: Wenn ich sagen würde, nein, Ungarn würde auch ohne funktionieren, wäre das eine falsche Antwort, denn dann würde es heißen, dass das Geld nicht Teil des ungarischen Budgets ist. Doch das ist es. Und es wird gerade ungerechtfertigter Weise zurückgehalten.
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