Auf eigene Faust: Ungarns fragwürdige Tschad-Mission

Auf eigene Faust: Ungarns fragwürdige Tschad-Mission
200 Soldaten sollen bald Machthaber Déby unterstützen. Wie genau, ist unklar. Maßgeblich beteiligt sein soll Orbáns Sohn, der sich vom Prediger zum Soldaten wandelte.

Just am Tag, als die tschadische Junta die lange überfälligen Präsidentschaftswahlen ankündigte, fielen Schüsse in der Hauptstadt N'Djamena. Schüsse, die unter anderem Yaya Dillo trafen – den Cousin des derzeitigen Machthabers Mahamat Idriss Déby und Anführer der Oppositionspartei „Sozialistische Partei ohne Grenzen“.

Er habe an einem Anschlag auf die tschadische Behörde für innere Sicherheit mitgewirkt, ließ die Militärjunta verlautbaren. Déby, dessen Vater und Langzeitmachthaber Idriss Déby 2021 ermordet wurde, will mit den Wahlen am 6. Mai seine Macht im Tschad einzementieren. Bisher ist er verfassungswidrig an der Macht, hat in seinem Clan einige Konkurrenten. Vonseiten Europas dürfte gegen einen „legitimierten“ Déby wenig Widerstand kommen, gilt der Tschad als einer der letzten europäischen Verbündeten in der Sahelzone.

Nach Putschen in Mali, Burkina Faso und Niger, die allesamt prorussische Militärs an die Macht gebracht hatten, ist es schlecht um den europäischen Einfluss in der Region bestellt.

Putschgürtel

 Vor allem Frankreich hat großes Interesse an einem aus seiner Sicht „stabilen“ Tschad mit Déby an der Macht. 1.000 französische Soldaten sind im Land stationiert, in dem antifranzösische Demonstrationen immer häufiger vorkommen.

In wenigen Wochen könnten allerdings Soldaten eines weiteren europäischen Staates im Tschad landen: Ungarn, das bisher wenig mit dem zentralafrikanischen Land verbindet, plant eine Militärmission. 200 Soldaten sollen – so das ungarische Verteidigungsministerium – „Beratung, Unterstützung und Betreuung auf dem Schlachtfeld leisten, ungarische Bürger und Interessen schützen und im Kampf gegen den Terrorismus helfen“.

Die Mission – die bereits im Herbst vom ungarischen Parlament abgesegnet wurde – wirft einige Fragen auf. 

Etwa jene der Unterstützungsmöglichkeiten: Im Zuge der mittlerweile gescheiterten „EU-Trainingsmission Mali“ bildeten etwa hundert Soldaten die malischen Streitkräfte aus. Um diesen Betrieb aufrechtzuerhalten und zu schützen, waren zeitweise zehnmal so viele Soldaten notwendig.

Die ungarische Mission findet allerdings nicht mit internationalen Organisationen wie der EU oder der NATO abgestimmt statt, sondern beruht auf bilateralen Vereinbarungen zwischen Ungarn und dem Tschad. Als Verbindungsoffizier fungiert niemand Geringeres als Gáspár Orbán, der Sohn des ungarischen Premiers. Auf Facebook-Videos der tschadischen Regierung ist der 32-Jährige mit grünem Hut und Schutzmaske zu Besuch in N'Djamena zu sehen. Wohl, um seine Identität zu verschleiern.

Laut dem ungarischen Investigativmedium Direkt36 ist er maßgeblich am Zustandekommen der Mission beteiligt. Recherchen von Direkt36 und Le Monde zeigen, dass Orbán in den vergangenen Monaten sechs Mal Teil ungarischer Delegationen nach Niger und in den Tschad war.

Prediger und Soldat

Gáspár Orbán scheint noch aus seiner Zeit als evangelikaler Prediger starke Verbindungen nach Afrika zu haben. Mittlerweile ist er Hauptmann der ungarischen Streitkräfte und pflegt enge Kontakte zum Sohn des gestürzten nigrischen Präsidenten. Ursprünglich sollte die Mission auch in Niger stattfinden – doch der Putsch im Sommer dürfte das Vorhaben vereitelt haben.

Doch kann der Wille des Premier-Sohns der einzige Beweggrund Ungarns sein?

Auch wenn die Mission wahrscheinlich wenig bis keine Auswirkungen auf die Sicherheit des Tschad haben dürfte, könnte Budapest durch bessere bilaterale Beziehungen erleichterten Zugang zu Gold-, Uran- oder Bauxit-Vorkommen erhalten. Laut dem ungarischen Außenministerium soll es sich nicht nur um eine Militärmission handeln, sondern auch um „wirtschaftliche, humanitäre und bildungspolitische Zusammenarbeit“. Auch, so wird spekuliert, könnte sich Ungarn damit Sympathiepunkte bei Frankreich sichern – und im Gegenzug Unterstützung in anderen EU-Fragen bekommen.

Gleichzeitig bedroht der Bürgerkrieg im Sudan den Tschad, etwa 700.000 Flüchtlinge sollen sich bereits im Land aufhalten. Und die Situation dürfte so oder so eskalieren: Gewinnt die sudanesische Miliz Rapid Support Forces (RSF) den Bürgerkrieg, dürften deren Kämpfer – wie bereits früher – in den Tschad einsickern und weitere Massaker verüben. Verliert sie ihn, dürften zahlreiche flüchtende Kämpfer die Grenze zum Tschad überschreiten. 

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