"Manche dieser Bilder sind peinlich, aber er wettet darauf, gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen anzusprechen, um einen empathischen Eindruck zu vermitteln", sagt der Politikwissenschaftler Benjamin Morel. Damit mache Macron vielleicht ein paar Prozentpunkte gut. Doch sein allgemein schlechtes Image vermöge er kaum wesentlich zu verbessern.
Image bröckelt auch unter Anhängern
Auch bisherige Anhänger und Mitstreiter haben ihm die überraschende Auflösung der Nationalversammlung am Abend der Europawahlen Anfang Juni als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei nicht verziehen. Die Neuwahlen führten zu einer neuen Sitzaufteilung in der Nationalversammlung. Die drei großen Blöcke – das links-grüne Bündnis Neue Volksfront (NFP), Macrons Mitte-Lager und der rechtsextreme Rassemblement National (RN) – sind jeweils weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Somit kann ein Misstrauensantrag gegen eine neue Regierung, wie sie auch aussieht, leicht Erfolg haben.
Ja, er habe Sitze verloren, räumte der Präsident in einem Interview nach den Wahlen ein. Um fast trotzig hinzuzufügen: "Aber niemand hat gewonnen." Er ignoriert den Druck, den die NFP mit ihrer Kandidatin Lucie Castets für das Premierminister-Amt ausübt. Die Allianz aus Linkspartei LFI, Sozialisten, Grünen und Kommunisten hält sich für legitim, die nächste Regierungschefin zu stellen. Sie hat die meisten Abgeordneten, aber zur absoluten Mehrheit fehlen mehr als 100 Sitze.
Lieber mit rechts als mit links
Es heißt, Macron orientiere sich eher in Richtung der gemäßigten Rechten. Der konservative Regionalratspräsident der Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, wird als möglicher neuer Premier gehandelt. Doch er ist nicht nur Außenseiter in der eigenen Partei, auch für die Republikaner und Macrons Lager reicht es nicht für eine absolute Mehrheit. "Weder Castets noch Bertrand würden ohne die Stimmen oder zumindest die Duldung des rechtsextremen RN auskommen", so Politologe Morel. Marine Le Pen als RN-Fraktionsvorsitzende könnte die Regierung jederzeit stürzen. Das sei "eine ziemlich unbequeme Situation gerade für Bertrand, der sich in einer Bastion der Rechtsextremen durchgesetzt und die Partei immer bekämpft hat".
Eine andere Alternative wäre eine Regierung aus Experten ohne starke politische Prägung, was den Parteien ermöglichen würde, bestimmte Maßnahmen zumindest nicht zu blockieren. Besonders wichtig ist die Verabschiedung des Haushalts im Herbst – und kompliziert, da Frankreich aufgrund seiner hohen Verschuldung sparen muss.
Das Ende des "olympischen Friedens"
Benjamin Morel glaubt deshalb nicht, dass die gute Stimmung durch die fröhlichen Olympischen Spiele lange anhält. "Das Erwachen wird hart sein – und bald kommen." Auch die Risse in der französischen Gesellschaft seien nicht gekittet. Bei der Fußball-WM 1998 habe Frankreich seine siegreiche, multikulturelle Mannschaft unter dem Stichwort "black-blanc-beur", "schwarz-weiß-arabisch", gefeiert. Doch zu mehr Zusammenhalt führte der Triumph nicht: Vier Jahre später erreichte der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen die zweite Runde der Präsidentschaftswahl.
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