Ukrainische First Lady in Belgrad: Warum erkennt Kiew den Kosovo nicht an?

Olena Selenska bei Aleksandar Vucic
Olena Selenskas Besuch bei Russland-Freund Aleksandar Vučić hat international für Aufregung gesorgt.

Der Besuch der ukrainischen First Lady Olena Selenska und Außenminister Dmytro Kuleba in der serbischen Hauptstadt Belgrad - der erste eines hochrangigen Politikers aus der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 - erregte am Montag viel Aufsehen. Nicht nur in Russland zeigten sich Medien, Politiker und die Bevölkerung verärgert. Auch einige der zahlreichen Russland-Fans in Serbien waren empört darüber.

Das Treffen der ukrainischen Delegation mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, dessen Frau Tamara und Kulebas Amtskollegen Marko Djurić passt zur uneindeutigen Russland/Ukraine-Politik, die Belgrad nun schon eine ganze Weile fährt: Serbien hat sich den EU-Sanktionen gegen Russland zwar bis heute trotz Drucks aus Brüssel nicht angeschlossen, sich gleichzeitig aber hinter die Ukraine gestellt und etwa Tausende von dort Geflüchtete aufgenommen.

Was den serbisch-ukrainischen Beziehungen ebenfalls hilft: Die Ukraine erkennt die einstige serbische Provinz Kosovo, die sich 2008 für unabhängig erklärte, genauso wie Belgrad - und Moskau - nicht an. Aber warum eigentlich, kämpft die Ukraine doch gerade selbst um seine Unabhängigkeit?

Sorge vor Abspaltung

Grund dafür ist wie bei anderen Staaten - Spanien zum Beispiel - die Sorge vor sezessionistischen Bewegungen. Südosteuropa-Experte Florian Bieber erklärt, dass dieses Thema für die Ukraine erst ab der Annexion der Krim an Bedeutung gewonnen hat: "2014 haben sich die illegalen Institutionen der Krim auf die Unabhängigkeit des Kosovo berufen, um die Loslösung von der Ukraine zu rechtfertigen." Auch Putin habe es als Argument für die Loslösung der Regionen Donbas und Luzhansk von der Ukraine hervorgebracht.

Doch mit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 hat sich Kiew auf einmal viel deutlicher gen Westen orientiert als davor. Seither wird in dem Land auch immer lauter gefordert, den Kosovo doch anzuerkennen - schließlich hat der sich hinter die Ukraine gestellt und trägt die Sanktionen gegen Russland mit. 

"Wissen, was Ukraine durchmacht"

Erst vergangene Woche erklärte die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz in einem Interview einmal mehr, ihr junges Land unterstütze die Ukraine "bedingungslos" und bezeichnete Serbien und Russland als "Verbündete". Zwar habe die Ukraine den Kosovo nicht als Staat anerkannt, der Kosovo glaube aber, genau zu wissen, was die Ukraine durchmache. Ein Sieg der Ukraine sei die einzige Lösung für Europa: "Ansonsten sollte sich Europa auf andere Konflikte auf unserem Kontinent vorbereiten."

Der Botschafter der Ukraine in Albanien, Volodymyr Shkurov, erklärte im März, die Anerkennung des Kosovo sei nur "eine Frage der Zeit". Und ein ukrainischer Abgeordneter unterzeichnete einen Appell an die Regierungen westlicher Staaten, den Druck auf Serbien in der Kosovo-Frage zu erhöhen. Vučić kommentierte das scharf und drohte: "Wenn die Ukraine die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt, wird sie an einem Tag alles verlieren." Was genau er damit meinte, ließ er offen. 

Berichte über einen "Kuhhandel" zwischen Belgrad und Kiew

Dass sich die ukrainische Position in der Kosovo-Frage in naher Zukunft ändert, ist Diplomaten und Experten zufolge nicht zu erwarten. Einerseits würde eine Anerkennung des Kosovo der Ukraine demnach politisch gesehen kaum Vorteile bringen. 

Andererseits sickerten 2023 Geheimdokumente aus dem Pentagon durch, nach denen Serbien einer Lieferung von Waffen und Munition an Kiew zugestimmt hatte. Danach gab es Berichte über einen "Kuhhandel" zwischen Belgrad und Kiew, wonach Serbien Waffen an die Ukraine liefern sollte, wenn Kiew den Kosovo weiterhin nicht anerkenne. 

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