Österreicher mehrheitlich gegen EU-Erweiterung

FILE PHOTO: A banner depicting an European Union flag is reflected  in a window outside the EU Council headquarters in Brussels
Unkontrollierte Migration, Korruption, organisiertes Verbrechen und Terrorismus: All das befürchten die Österreicher bei einer weiteren EU-Erweiterung.

Zusammenfassung

  • Laut Eurobarometer-Umfrage lehnt die Mehrheit der Österreicher eine EU-Erweiterung ab, während EU-weit 56 Prozent dafür sind.
  • Als Hauptsorgen werden Migration, Korruption, Kriminalität und Kosten genannt; Ukraine und Montenegro erhalten die höchste Zustimmung unter den Beitrittskandidaten.
  • Europaministerin Plakolm fordert einen schnelleren, klaren Beitrittsprozess und eine bessere Kommunikation der Vorteile für Bürger und Kandidatenländer.

Die Mehrheit der Österreicher lehnt laut einer am Dienstag vorgestellten Eurobarometer-Umfrage die Aufnahme weiterer Länder in die Europäische Union ab. 

Die Umfrage ist Grundlage von Beratungen der EU-Europaminister, die am Dienstag in Kopenhagen über die Erweiterung diskutieren. Demnach sind 56 Prozent der EU-Bürger für weitere EU-Erweiterungen, aber nur 45 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher.

Mehr Skepsis nur in Tschechien und Frankreich

Mehr Skepsis gegenüber der EU-Erweiterung als in Österreich findet sich nur in Tschechien und Frankreich, wo die Aufnahme neuer Länder nur von 43 Prozent der Befragten gutgeheißen wird. Zu den glühendsten Befürwortern der EU-Erweiterung mit Zustimmungsraten von über 70 Prozent zählen die Bürger in Schweden, Dänemark, Litauen und Finnland. 

Als größte Sorgen bezüglich der Erweiterung werden EU-weit unkontrollierte Migration, Korruption, organisiertes Verbrechen und Terrorismus sowie die Kosten für die europäischen Steuerzahler genannt.

Ukraine und Montenegro am populärsten

Sieht man sich die Kandidatenländer im Einzelnen an, erhält keines in Österreich eine mehrheitliche Zustimmung. Am populärsten sind hierzulande noch EU-Beitritte der Ukraine, Montenegros und Bosnien-Herzegowinas (jeweils 40 Prozent), gefolgt von Serbien (39 Prozent) und Nordmazedonien (34 Prozent). 

Auf den hinteren Rängen liegen Moldau (33 Prozent), Albanien (30 Prozent), Georgien (29 Prozent), Kosovo (28 Prozent) und die Türkei (19 Prozent). Im EU-Durchschnitt erhalten die Ukraine (52 Prozent) und Montenegro (51 Prozent) die höchsten Zustimmungsraten, die Türkei die niedrigste (37 Prozent).

Plakolm: "Beitrittsprozess dauert zu lange"

Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) zeigte sich von den Ergebnissen der Umfrage nicht überrascht. "Der Prozess zieht sich seit über 20 Jahren, ohne dass konkrete Ergebnisse sichtbar werden. Da ist völlig klar, dass man den Glauben daran verliert und auch die Vorteile in den Hintergrund geraten", betonte Plakolm am Dienstag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. 

Plakolm nimmt wegen der gleichzeitig stattfindenden Regierungsklausur nicht an dem informellen Treffen der Europaminister in Kopenhagen teil.

"Der Beitrittsprozess dauert zu lange, wir riskieren, dass auch die Stimmung in den Beitrittsländern am Westbalkan sich verschlechtert", warnte Plakolm. "Die Menschen brauchen auf beiden Seiten einen klaren Pfad, der rasch und mit spürbaren Schritten umgesetzt wird." Die Europaministerin forderte erneut eine "graduelle Integration nicht nur beim Binnenmarkt, sondern auch bei Energie, Infrastruktur oder Sicherheit", dies würde "uns in der Stimmung gegenüber der EU und dem Erweiterungsprozess weiterbringen".

Meinl-Reisinger fordert neuen Schwung am Westbalkan

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger fordert neuen Schwung in der Frage der EU-Erweiterung am Westbalkan. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei diese zu einer geopolitischen Notwendigkeit geworden, sagte die Neos-Politikern in einem Interview mit dem Fachmagazin Cercle Diplomatique. Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seien "die fehlenden Mosaiksteine Europas", so das Argument. "Ohne sie ist die EU nicht komplett."

"Wir sehen auch konkrete Fortschritte", hielt Meinl-Reisinger in der neuen Ausgabe des "Cercle Diplomatique" fest. "Montenegro und Albanien sind hier die Zugpferde. In Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Serbien unterstützen wir die Annäherung an Europa. Wichtig ist, dass die Vorteile spürbar und glaubwürdig sind."

Österreich sei Initiator der "graduellen Integration" gewesen, erinnerte Meinl-Reisinger, "also einer Dynamisierung des Prozesses, bei der die Länder schon vor der Vollmitgliedschaft von Vorteilen profitieren, zum Beispiel durch die Einbindung in den europäischen Zahlungsraum oder Kooperationen im Bildungsbereich." Gleichzeitig gelte aber: "Die Beitrittskriterien müssen für alle gleich bleiben."

"EU muss transparenter und bürgernäher werden"

Prinzipiell gelte, dass die EU transparenter und bürgernäher werden müsse, analysierte Österreichs Chefdiplomatin. So könne auch dem Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa begegnet werden. "Wir müssen den Populisten mit einem klaren Bekenntnis zu unseren gemeinsamen europäischen Werten begegnen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde."

In Zeiten globaler Krisen würden Menschen nach Orientierung suchen, zeigte sie Verständnis für etwaige Verunsicherungen. Umso wichtiger sei es, dass die EU "faire Chancen schafft und gezielt gegen Desinformation vorgeht".

Kommentare