NSA zapfte Google und Yahoo an

Zugriff auf Daten von Hunderten Millionen Nutzerkonten der Internetkonzerne.

Millionen Nutzer von Google und Yahoo mögen es bisher nur vermutet haben, seit Mittwoch ist es gewiss: Der US-Geheimdienst NSA hat sich laut einem Bericht der Washington Post weltweit heimlich in die Leitungen von Rechenzentren der Internetanbieter Google und Yahoo eingeklinkt. Auf diese Weise sei die Spionagebehörde in der Lage, die Daten von Hunderten Millionen Nutzerkonten abzugreifen, darunter auch von Amerikanern, berichtete die Washington Post unter Berufung auf Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden.

NSA zapfte Google und Yahoo an
Den NSA-Papieren vom 9. Jänner dieses Jahres zufolge schickt die Geheimdienstbehörde täglich Daten von internen Google- und Yahoo-Netzwerken in Datenzentren beim NSA-Hauptquartier. In den 30 vorangegangene Tagen seien damals mehr als 181 Millionen neue Aufzeichnungen registriert worden. Dabei habe es sich um Absender- und Empfängerdaten gehandelt. Doch auch Inhalte wie Text, Tonaufnahmen und Videos wurden verschickt, schreibt die Zeitung.

„Muscular“

Gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst GCHQ betreibt die NSA laut Washington Post ein „ungewöhnlich aggressives“ Werkzeug namens „Muscular“, das die Daten erschließe. Es unterscheide sich von einem Geheimgericht genehmigten Spähprogramm „Prism“, das den US-Behörden direkten Zugang zur Internetkommunikation über verschiedene Anbieter ermögliche.

Bisher war nicht bekannt, dass die NSA auch routinemäßig gegen US-Unternehmen vorgeht. Dabei greift sie offenbar auf Verbindungen zu Datenzentren außerhalb der USA zu, was juristisch einfacher ist. Google betreibt derartige Datenzentren in Irland, Finnland, Belgien, Chile oder Singapur.

In einer ersten Reaktion äußerte sich Google „aufgebracht“ über die Vorwürfe, „dass die Regierung den Verkehr zwischen unseren Datenzentren abgreift“. Dem Unternehmen sei diese Maßnahmen nicht bekannt. „Wir sind seit langem besorgt, weshalb wir weiter die Verschlüsselung über immer mehr Google-Angeboten ausdehnen.“ Yahoo sprach davon, „strenge Protokolle“ zum Schutz von Daten in den Rechenzentren zu haben. Man habe keiner staatlichen Behörde Zugang gegeben. "Und das unterstreicht die dringende Notwendigkeit für eine Reform," so Google Chefjustiziar David Drummond.

Gegenangriff

Ungeachtet der neuen, immer heftigeren Skandale rund um die NSA geht Washington nun zum Gegenangriff über. In einer Anhörung vor dem Kongress machte der Chef aller US-Geheimdienste, James Clapper, deutlich, dass die USA ebenfalls im Visier ausländischer Geheimdienste stehen würden – darunter auch jene der europäischen Verbündeten. Die EU habe die USA seit Jahren ausspioniert.

Sogar die Abhörung von Kanzlerin Angela Merkel, die in Deutschland für Empörung sorgt, sei nachrichtendienstliche Routine. Es sei einfach notwendig, ausländische Spitzenpolitiker konstant abzuhören: „Wir müssen schließlich wissen, ob sich das, was sie sagen, mit dem deckt, was wirklich los ist“, sagte Clapper.

Wie berichtet, war zuletzt enthüllt worden, dass Millionen Telefongespräche und eMails aus Frankreich und Spanien von der NSA aufgefangen und gespeichert worden waren. Italienische Medien berichteten zuletzt, dass sogar der Papst im Visier der US-Datenjäger gestanden sei.

Diese Daten, verteidigen sich jetzt die Amerikaner, seien meist nicht von den US-Geheimdiensten gesammelt worden, sie stammten vielmehr von den europäischen Verbündeten selbst. Deren Geheimdienste hätten die Abhörungen selbst durchgeführt und die Daten an ihre Partner in den USA geliefert.

Wo steht die größte Abhörstation für Deutschland? Das ist ein Ratespiel auf Berliner Botschaftsempfängen. „Kenner“ sagen dann: In Muzig.

Das ist eine Kleinstadt im Elsass, nur 15 Kilometer hinter der deutschen Grenze. Hier unterhält der Geheimdienst Frankreichs die größte seiner 30 Lauschstationen, mit denen er fast die ganze Welt flächendeckend abhört. Damit lauschen französische Ohren besonders gut in die Technologiezentren Süddeutschlands und der Schweiz, aber auch bis nach Berlin.

Als die NSA-Affäre im Sommer erstmals thematisiert wurde, würgte sie die deutsche Regierung mit dem Hinweis auf den engsten „Freund“ Deutschlands ab: Frankreich. Dazu Handelsministerin Nicole Briqu gestern: „Wir müssen in der Wirtschaftsspionage besser werden als die Deutschen, die Briten und die Amerikaner, da hilft kein Jammern.“ Man müsse ja nicht immer Regierungschefs abhören.

Die Briten wiederum zapfen seit Jahren die drei über die Insel laufenden Transatlantik-Kabel an – und verkaufen laut Guardian ihre Erkenntnisse für 100 Millionen Pfund im Jahr an die US-Freunde. Das trifft auch die aus und nach Deutschland kommende Kommunikation über den größten Internetknoten der Welt in Frankfurt. Wie die Briten in Deutschland selbst aktiv sind, ist weniger bekannt.

Legendär ist hingegen, die Umtriebigkeit der Russen. Manchmal bekommt man sogar dafür eine Bestätigung: Wenn sich etwa beim Empfang ein netter Diplomat ungeniert, ja stolz, als hoher Offizier des SWR, des Auslandsgeheimdienstes, outet.

Noch weniger weiß man über die Spitzelaktivitäten der Chinesen. Kanzlerin Merkel fordert bei jedem Besuch in Peking weniger Hacker-Angriffe auf deutsche Ziele. Dem widersprechen die Gastgeber nie ernsthaft – und lächeln nur.

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