Kim Jong Uns Propagandaspiel

Nordkorea hat im Konflikt mit den USA eine neue Eskalationsstufe eingeläutet.
Diktator rief "Kriegszustand" aus. Seoul beschwichtigt, Moskau warnt vor "gefährlicher" Lage.

Die Kriegsrhetorik beherrscht Kim Jong Un. Das hat der junge nordkoreanische Diktator spätestens in den vergangenen Wochen bewiesen. Der heute 30-Jährige, der vor gut einem Jahr nach dem Tod seines Vaters zum nordkoreanischen Machthaber aufgestiegen war, hat seit seinem Amtsantritt immer wieder Drohungen ausgesprochen, Raketen und Truppen in Stellung gebracht. Am Samstag sprach er gar von „Krieg“.

Internationale Beobachter rätseln inzwischen über die Motive des jungen Diktators, der bei seinem Amtsantritt noch von manchen als modern und weltoffen eingeschätzt worden war. Doch der Hoffnungsschimmer auf einen Kurswechsel nach der eisernen Herrschaft seines Vaters Kim Jong Il scheint erloschen – spätestens mit dem Atomwaffentest im Februar. Doch was will Kim mit seinen wiederholten Drohungen bewirken? Einen Krieg könne er nicht wirklich wünschen, glaubt der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes, Gerhard Schindler. Es bestehe aber die Gefahr einer „regionalen Eskalation“, warnt Schindler in der Bild am Sonntag. Der Betreiber der Homepage North Korea Leadership Watch, Michael Madden, sieht die Ziele Kims eher innenpolitisch. Er wolle seine Position zementieren. Möglicherweise in Hinblick auf das jährliche Treffen des Parlaments am Montag, bei dem laut Wall Street Journal auch Ankündigungen über eine neue politische Strategie möglich seien.

Aggression und Gelassenheit

Frieden – aus völkerrechtlicher Sicht – herrscht auf der koreanischen Halbinsel seit mehr als 60 Jahren nicht mehr. Nach dem Koreakrieg (1950–1953) wurde nie ein Friedensvertrag unterzeichnet. Dennoch rief der nordkoreanische Diktator am Samstag den „Kriegszustand“ aus. Jede Angelegenheit werde nun „nach den Vorschriften für Kriegszeiten“ behandelt, jede Provokation habe einen „umfassenden Konflikt und einen Atomkrieg“ zur Folge. Die Drohungen richten sich gegen den südlichen Nachbarn, aber auch gegen die USA. Für eine echte „Kriegserklärung“ hielt man die Drohgebärden in Seoul offenbar nicht. Die Regierung reagierte gelassen auf die Erklärung von Kim Jong Un. Diese stelle „keine wirklich neue Drohung“ dar, hieß es in einer Stellungnahme. Auch die USA nahmen die Berichte zur Kenntnis.

Seit der vergangenen Woche häufen sich die Drohungen aus Pjöngjang, aber auch die Antworten aus Seoul und Washington. Am Samstag meldete sich auch Moskau zu Wort. Das russische Außenamt rief alle Konfliktparteien zur „Zurückhaltung“ auf. Die Lage sei „sehr angespannt und gefährlich“.

Seit fast siebzig Jahren leben die Menschen auf der koreanischen Halbinsel strikt voneinander getrennt. Den Traum von einer Wiedervereinigung zwischen Norden und Süden lebt man heute nur noch im kommunistischen Nordkorea – unter Führung des eigenen Regimes, versteht sich.

Kim Jong Uns Propagandaspiel
In Seoul hingegen hat vor allem die jüngere Generation mit der Idee einer Wiedervereinigung wenig am Hut. „Wir denken, das sind verschiedene Leute in einem verschiedenen Land. Wir haben mit denen wirklich gar nichts mehr gemeinsam“, schilderte jüngst eine Gruppe Studenten dem amerikanischen magazin Foreign Policy.

Von Seiten der Politik fürchtet man vor allem die enormen Kosten, die eine Zusammenführung der beiden Landesteile verschlingen würde: Grobe Schätzungen ergaben, dass die Aufwendungen mindestens das Zwanzigfache dessen betragen würde, was einst Deutschland für die Eingliederung der ehemaligen DDR benötigte.

Die bis heute unüberwindliche Grenze des 38. Breitengrades zwischen Nord- und Südkorea zogen nach Ende des Zweiten Weltkrieges die UdSSR und die USA. Fünf Jahre später marschierten nordkoreanische Truppen unter der Führung von Diktator Kim Il Sung in den Süden ein und entfachten einen verheerenden, dreijährigen Krieg, in dem amerikanische und chinesische Truppen mitfochten.

Am Ende waren beide Landesteile verwüstet. Der Norden aber mit großzügiger Hilfe aus der UdSSR und seinen Industrieanlagen kam zunächst schneller wieder auf die Beine. Erst in den 60er-Jahren wandelte sich das Bild: Südkorea holte dramatisch auf, schaffte 1988 auch dem Umstieg in die Demokratie und gehört heute zu den erfolgreichsten Industrienationen der Welt. Das BIP-pro Kopf im Süden ist heute 18 Mal höher als jenes im Norden.

Kommentare