Nordirische DUP will Brexit-Deal in aktueller Variante nicht zustimmen

Nordirlands DUP-Chefin Foster sieht keine Annäherung
Ein Durchbruch in den Brexit-Verhandlungen dürfte sich dadurch abermals verschieben. Neuer Sondergipfel im Gespräch.

Die nordirische DUP lehnt den derzeitigen Brexit-Plan der britischen Regierung ab. Zum jetzigen Zeitpunkt könne die Partei die Vorschläge zur Zollregelung nicht unterstützen, teilte sie am Donnerstag im Onlinedienst Twitter mit. Zudem gebe es einen "Mangel an Klarheit" bei der künftigen Mehrwertsteuerregelung.

Sie werde jedoch weiterhin mit der Regierung zusammenarbeiten, "um ein vernünftiges Abkommen zu erzielen, das für Nordirland funktioniert und die wirtschaftliche und verfassungsmäßige Integrität des Vereinigten Königreichs schützt", so die Unionistenpartei.

Damit versetzte die DUP dem britischen Premierminister Boris Johnson nur wenige Stunden vor dem entscheidenden EU-Gipfel einen schweren Schlag. Die mit Johnsons konservativen Tories verbündete DUP galt bei der Frage, ob Johnson bei einer Einigung mit Brüssel das Abkommen durch das britische Unterhaus bekommt, schon lange als Unsicherheitsfaktor.

Der französische Europastaatssekretär Jean-Baptiste Lemoyne sagte unterdessen am Donnerstag dem Sender Public Senat, eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien sei "greifbar nah, aber nicht garantiert". Im Falle einer Einigung müsse noch das britische Parlament zustimmen. Dazu müsse Johnson mit der DUP verhandeln, was "nicht einfach" sei.

Mehrwertsteuerregelung im Fokus

Die EU und Großbritannien hatten am Mittwoch bis spät in die Nacht über den Brexit verhandelt, aber keinen Durchbruch erzielt. Der Knackpunkt in den Verhandlungen sei die künftige Mehrwertsteuerregelung für die britische Provinz Nordirland, sagten mehrere Diplomaten.

 

Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der EU führen, notfalls auch ohne Abkommen mit der EU. Allerdings hatte das britische Parlament Johnson im September per Gesetz dazu verpflichtet, eine Brexit-Verschiebung zu beantragen, sollte es bis zum 19. Oktober keine Zustimmung der Abgeordneten für ein Abkommen mit der EU geben.

Zollfrage geklärt

Kurz vor dem Gipfel hatten Experten der EU und Großbritanniens bis Mittwochabend wichtige Brexit-Fragen geklärt gehabt. Darunter war auch die lange sehr umstrittene Zollregelung für Irland, wie der EU-Unterhändler Michel Barnier nach Angaben von Diplomaten am Mittwochabend in einem EU-Treffen berichtete. Eine Gesamteinigung stand aber noch aus, weil einige komplexe Details offen waren.

Seit Tagen verhandelten beide Seiten über Änderungen an dem Austrittsvertrag, den die damalige britische Premierministerin Theresa May 2018 mit Brüssel vereinbart hatte. Ihr Nachfolger Johnson verlangte Änderungen, weil er eine zu enge Bindung an die EU befürchtete. Streitpunkt war vor allem die enthaltene Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Johnson wollte ihn unbedingt streichen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht bei den Brexit-Verhandlungen noch erhebliche Schwierigkeiten. Eine "gute Lösung" bei den Brexit-Verhandlungen gleiche "der Quadratur des Kreises", sagte Merkel am Donnerstag im Deutschen Bundestag. Zwar habe es in den vergangenen Tagen "viel Bewegung gegeben", sagte sie. "Aber wir sind noch nicht am Ziel."

Merkel bekräftigte die Position der EU, dass eine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland verhindert werden müsse. "Wir werden nicht zulassen, dass auf der irischen Insel durch eine harte Grenze wieder Hass und Gewalt aufflammen können", sagte sie.

Merkel lobt britische Verhandlungsbereitschaft

Die deutsche Regierungschefin wollte keine Prognose wagen, ob es beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel eine Lösung für das Brexit-Problem geben werde. "Ich kann heute nicht sagen, wie morgen der Europäische Rat enden wird", sagte sie.

Lobend erwähnte sie, dass die britische Seite "Verhandlungsbereitschaft gezeigt und das durch konkrete Handlungsvorschläge unterlegt" habe. "Wir werden alles tun, die Verhandlungen zu einem Ziel zu führen."

Auf der Suche nach einer Lösung hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Donnerstagfrüh mit Boris Johnson gesprochen. Die Kontakte der Verhandlungsteams beider Seiten gingen weiter, schrieb Junckers Sprecherin auf Twitter. "Jede Stunde und jede Minute zählt vor dem EU-Gipfel", und: "Wir wollen einen Deal."

Neuer Sondergipfel am Tisch

Ein zusätzlicher EU-Sondergipfel zum Brexit Ende dieses Monats "ist eine Option", sagte ein ranghoher EU-Diplomat am Donnerstag in Brüssel. Der EU-Chefverhandler Michel Barnier habe die EU-Staaten am Mittwochabend darüber informiert, dass ein Text für eine Vereinbarung zwischen Großbritannien und der EU fast fertig, aber noch nicht abgeschlossen sei. Laut Diplomaten war die Frage der Mehrwertsteuer ein ungelöstes Problem, da Nordirland weiter eng an die EU gebunden sein soll.

"Die Zeit läuft ab", sagte der Diplomat weiter. Wenn beim Gipfel kein Deal auf dem Tisch sei, würden die Staats- und Regierungschefs auch über eine mögliche Verlängerung sprechen. Beim EU-Gipfel werde dem Präsidenten des EU-Parlaments, David Sassoli, auch die Frage zur Ratifizierung gestellt. Bisher gebe es Signale, dass das EU-Parlament zustimmen werde.

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