EU-Budget: Merkel will Deutschland-Rabatt
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel am Donnerstag und Freitag wird zwar vom drängenden Brexit-Thema beherrscht. Nicht minder drängend ist es aber auch, dass man sich bald auf den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR, 2021 - 2027) einigt. So steht auch dieses Thema auf der Tagesordnung, auch wenn noch keine Einigung dazu geplant, geschweige denn zu erwarten ist.
Gesprächsbasis ist ein Papier, dass die finnische Ratspräsidentschaft ausgearbeitet hat. Es geht um die Höhe des Budgets, die Gewichtung der großen Blöcke darin sowie die politische Abstimmung mit den Bedingungen bzw. Konditionalitäten. Darüber wurde schon unzählige Male auf Expertenebene debattiert, nicht aber bisher auf der höchsten Ebene der Staats- und Regierungschefs. Es geht einmal darum, dass sie sich gegenseitig zuhören. Dann dürfte auch klar werden, dass gewisse Extrempositionen wohl nicht halten können - so die Idee von Ratspräsident Donald Tusk.
Nach Ansicht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel muss der kommende Finanzrahmen einen Rabatt für Deutschland und Strafen für EU-Staaten vorsehen, die Rechtsstaatsprinzipien verletzen. Deutschland werde mit der Position in die Verhandlungen auf dem EU-Gipfel ziehen, ein Prozent der Wirtschaftsleistung für den siebenjährigen Finanzrahmen zu zahlen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin.
Schon dies bedeute erhebliche Mehrausgaben, sagte sie einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag zu Forderungen der EU-Kommission, dass die Staaten mehr Geld bereitstellen sollten. Nötig sei eine neue Ausrichtung des EU-Haushaltes, in dem die Bereiche Migration, Klima, Innovation sowie die Außen- und Verteidigungspolitik gestärkt werden müssten. Beim bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel erwarte sie "leider" noch keine Einigung auf die mehrjährige Finanzplanung.
Zugleich will Merkel aber weitere EU-Förderung für strukturschwache Gebiete etwa im Osten Deutschlands. "Deutschland wird übermäßig stark belastet", sagte sie mit Blick auf den Austritt des bisherigen EU-Nettozahlers Großbritannien. Deshalb sei eine "faire Lastenteilung" und ein Rabatt notwendig. Dies hatte die Regierung schon am Dienstag gefordert.
EU-Mittel an Rechtsstaatlichkeit knüpfen
Merkel bekräftigte ihre Forderung, die Vergabe von EU-Mitteln künftig auch an den Stand der Rechtsstaatlichkeit im jeweiligen Mitgliedsland zu knüpfen: "Wer bei der Ausgabe europäischer Mittel Grundsätze und Prinzipien des Rechtsstaats missachtet, der soll in Zukunft nicht mehr erwarten dürfen, weiterhin von Europa uneingeschränkt finanziell profitieren zu können." Hintergrund sind Auseinandersetzungen der EU etwa mit Polen und Ungarn wegen umstrittener Justizreformen.
Die Finnen haben für die zukünftig wohl 27 Mitgliedsstaaten eine Bandbreite von 1,03 bis 1,08 Prozent genannt, in der jedes Land den Anteil seiner Wirtschaftsleistung zum EU-Budget beitragen soll. Die EU-Kommission will 1,11 Prozent, Österreich und andere Nettozahlerstaaten wollen 1,0 Prozent. Die Finnen sehen in ihrer Bandbreite aber eine Inkludierung des EDF (European Development Fund, Europäischer Entwicklungsfonds) vor, und dieser Fonds ist genau 0,03 Prozent schwer und derzeit nicht im EU-Budget enthalten. Zieht man den Fonds also ab, dann ist man beim Nettozahler-Wunsch von 1,0 Prozent.
Die 1,03 bis 1,08 Prozent würden einen Finanzrahmen in der Höhe von 1,05 bis 1,1 Billionen Euro für sieben Jahre bedeuten (ohne Spezialinstrumente). Die Finnen gehen davon aus, dass mit einem solchen Budget die Balance zwischen neuen Herausforderungen und traditionellen Politikfeldern gewährleistet sein würde. Die EU-Kommission hätte (ohne Spezialinstrumente) gerne 1,14 Billionen Euro.
Mehr Geld für "anderes"
Bezogen auf die großen Budgetblöcke sollen die Kohäsion, die Landwirtschaft und andere Programme wie etwa Forschung & Entwicklung, Außengrenzschutz und Klimaschutzausgaben jeweils rund ein Drittel erhalten. Das ist Diplomaten zufolge für keinen Mitgliedsstaat ein großes Problem. Konkret sehen die Finnen für die Kohäsionspolitik 29,6 bis 29,8 Prozent vor (die EU-Kommission 29,1 Prozent), für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 30,5 bis 30,9 Prozent (EU-Kommission: 28,6 Prozent) und andere Programme 32,8 bis 33 Prozent (Kommission: 35,6 Prozent). In der ablaufenden Finanzperiode war die GAP 35,4 Prozent schwer, die Kohäsionspolitik 34 und die anderen Programme 24 Prozent. Vor allem "andere Programme" werden im kommenden Finanzrahmen also stärker dotiert.
Kürzungen bei den Agrarausgaben könnten Österreich besonders schmerzlich treffen. Zuletzt entfielen 69 Prozent aller Gelder, die Österreich aus der EU lukrierte auf den Landwirtschaftsbereich. Vor allem Einschnitte in der zweiten Säule der GAP, der Ländlichen Entwicklung, die für die Alpenrepublik besonders wichtig sind, will Wien verhindern. Das finnische Papier dürfte hier wenigstens etwas beruhigen: Es soll von den Direktzahlungen (1. Säule) in die Ländliche Entwicklung (2. Säule) umgeschichtet werden. Konkret stellen sich die Nordeuropäer ein Einfrieren der Direktzahlungen vor. Dafür soll es Neuzuweisungen für die 2. Säule geben.
Das begründen die Finnen damit, dass die ländliche Entwicklung speziell auf Umwelt- und Klimaprobleme reagiere. Zudem hätten die Konsultationen gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Mitgliedsstaaten Priorität auf die 2. Säule legen wolle. Traditionell bekannter Gegner ist hier beispielsweise Frankreich, dem die EU-Direktzahlungen an seine Bauern sehr am Herzen liegen. Am Ende käme es zu einem Niveau in der 2. Säule, das geringfügig unter einem nominalen Einfrieren in diesen Bereich bedeuten würde.
An neuen eigenen Einnahmequellen für die EU können sich die Finnen lediglich eine Plastikabgabe vorstellen.
Eine Einigung soll bei einem EU-Gipfel im Dezember erfolgen, sagen die Hoffnungsfrohen. Andere sehen einen Sondergipfel im ersten Quartal 2020 kommen. Die Finnen sollen bis Dezember die sogenannte Verhandlungsbox weiter mit exakten Zahlen füllen.
Thema wird beim EU-Gipfel auch der Klimafonds werden, den die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will. Osteuropäische Länder sollen bei der Energiewende unterstützt werden. Der "Trust Transition Fonds" soll Teil des "Green Deals" werden den Frans Timmermans - er ist als designierter Kommissionsvizepräsident bald zuständig für die Klimapolitik der EU - ausarbeiten soll - und er muss auch noch gefüllt werden.
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