„Die Briten müssen nochmals befragt werden“

Britische EU-Abgeordnete Irina von Wiese
Die britische Liberaldemokratin und EU-Abgeordnete Irina von Wiese kämpft für Verbleib Großbritanniens in der EU

Mit zwei englischen Worten – „Stop Brexit“ – lässt sich das politische Ziel der britischen EU-Abgeordneten Irina von Wiese auf den Punkt bringen. Als Spitzenkandidatin der Liberaldemokraten zog die 41-jährige gebürtige Deutsche, die seit 20 Jahren in Großbritannien lebt, heuer im Juli erstmals ins Europäische Parlament ein.

Das Risiko, dass sie per Monatsende auch schon wieder ihre Auszugskartons packen muss, kalkulierte die Juristin ein, quittierte ihren gut bezahlten Job in London – und kämpft ungebrochen für den Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU.

Auch wenn sich die Lage derzeit in Richtung eines Brexit-Abkommens zwischen EU und London dreht, gibt sich die Liberaldemokratin noch nicht geschlagen. Mit dem KURIER sprach Irina von Wiese in Brüssel über...

... ein Abkommen in letzter Minute, der zu einem geregelten Brexit führen würde:

So ein Last-minute-Deal, der von allen 27 EU-Regierungen akzeptiert wird, muss noch durch das britische Parlament. Und die einzige Art, wie so ein Deal im Unterhaus eine Mehrheit bekommen könnte, sehe ich darin, wenn zugesichert wird, dass es zu einem Referendum darüber kommt. Sonst werden wir Liberaldemokraten, die große Mehrheit von Labour, die Schottische Nationalpartei, alle anderen Oppositionsparteien und auch einige Tories, die mit dem Brexit-Kurs der Regierung nicht zufrieden sind, dagegen stimmen.

Mit anderen Worten: Wenn wir einen sanften Brexit haben, dann müssen die Menschen im Vereinigten Königreich erst noch gefragt werden: Wollt Ihr unter diesen speziellen Bedingungen die Europäische Union verlassen, oder wollt Ihr bleiben? Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Bevölkerung eine Chance haben wird, ihre Meinung auszudrücken, selbst wenn es solch einen Deal gibt.

...die Möglichkeit, dass es doch noch zu einem harten Brexit kommen könnte:

Das ist derzeit eher unwahrscheinlich. Wenn es kein Abkommen zwischen EU und Großbritannien gibt, muss Premierminister Boris Johnson noch vor Monatsende um Verlängerung bei der EU ansuchen. Es gibt ein entsprechendes Gesetz, und wenn sich Johnson nicht daran hält, müsste er ins Gefängnis. So weit wird wohl auch Johnson nicht gehen wollen. Aber ein harter Brexit wäre katastrophal, für uns und auch für die EU. Er muss unbedingt und um jeden Preis vermieden werden.

...eine Verlängerung für Großbritannien in der EU, falls auch das nun geänderte Abkommen am Samstag vom Parlament in London abgelehnt würde: Dann müssten Neuwahlen oder ein zweites Referendum stattfinden. Aber dafür brauchen wir Zeit, eine Verlängerung bis Ende Jänner 2020 würde nicht reichen. Für das Organisieren eines Referendums brauchen wir mindestens 20 Wochen. Und dann würden wir gewinnen: Jede einzelne Umfrage, die ich kenne, weist derzeit eine Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union auf. Alle jungen Menschen, die in diesem Jahrhundert geboren wurden, würden laut sämtlichen Umfragen für den Verbleib stimmen. Und dieses Mal würden sie beim Referendum auch tatsächlich hingehen.

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