Über Nacht bekannt
Noch nie zuvor hatte ein Angriff des damals relativ unbekannten Terrornetzwerks so viele zivile Todesopfer gefordert. Bis dahin hatten sich islamistische Anschläge meist gegen militärische Einrichtungen gerichtet. Osama bin Laden und seine Organisation erlangten praktisch über Nacht internationale Bekanntheit.
Die USA reagierten mit Raketenangriffen auf Ziele im Sudan sowie in Afghanistan – der „Krieg gegen den Terror“ hatte damit begonnen. Und sollte nach den Anschlägen auf das World Trade Center mit 3.000 Toten endgültig in voller Härte ausbrechen.
Auf die Invasion in Afghanistan folgte jene in den Irak – beide Kriege wurden am Schlachtfeld zwar rasch gewonnen, doch langfristig wendete sich das Blatt. Während in Afghanistan nach dem längsten Einsatz der US-Geschichte wieder die Taliban herrschen, brachte der Irak-Krieg eine Organisation hervor, die zeitweise noch erfolgreicher war als al-Qaida: die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).
➤ Afghanistan: "Islamischer Staat“ oder "Islamisches Emirat“?
Während al-Qaida als Organisation islamistischer Eliten gegründet worden war, versteht sich der IS als „Graswurzelbewegung“, als Möglichkeit, gegen „die Ungläubigen da oben“ zu kämpfen. Sogar gegen al-Qaida selbst. Bin Ladens Nachfolger als Chef der Organisation, Ayman al-Zawahiri – er wurde vergangenes Jahr getötet –, war machtlos, als sich der IS vom Irak nach Syrien ausbreitete und sich von al-Qaida lossagte.
Dafür gab es viele Gründe, unter anderem, weil Zawahiri von Beruf Arzt und kein Islamgelehrter war. Für den IS als Anführer inakzeptabel. Tatsächlich sieht sich die Terrororganisation – zumindest in ihrer Werbung – als echten Nachfolger bin Ladens an. In puncto „Öffentlichkeitsarbeit“ ist sie es definitiv.
Ließ bin Laden seine Botschaften noch über Fernsehsender wie Al Jazeera ausstrahlen, eroberte der IS mit martialischen Videos, Fotos und Hochglanzmagazinen die sozialen Netzwerke – und radikalisierte auch in Europa Tausende junge Menschen, die ihre Familien verließen und sich dem IS anschlossen.
Wie stark die Propaganda des IS war, zeigte sich nach dem Terroranschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Jahr 2015. Beide Täter bekannten sich zur al-Qaida im Jemen, doch die meisten assoziieren die Tat mit dem „Islamischen Staat“.
Neuer Fokus
Weitere Anschläge erschütterten Europa, rückten den islamistischen Terror in den gesellschaftlichen Fokus, während das „Kalifat“ des IS sowohl durch westliches und russisches Militär als auch schiitische Milizen zerstört wurde. Dieser Sieg am Feld und eine deutlich verbesserte internationale Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten sorgten dafür, dass islamistische Terroranschläge in Europa derzeit selten vorkommen.
Sowohl der IS als auch al-Qaida müssen mit ihren Ressourcen haushalten, konzentrieren sich auf andere Gebiete. In Afghanistan kämpft ein IS-Ableger gegen die Taliban, in Syrien bekämpfen IS und der al-Qaida-Ableger Hayat Tahir al Sham einander. Erst am Donnerstag verkündete der IS, dass sein Anführer bei Kämpfen in der syrischen Provinz Idlib gestorben sei.
➤ Abzug, Terror, Putsche: Was in Mali vor sich geht
Im Fokus steht derzeit ein anderes Operationsgebiet beider Terrororganisationen: die Sahelzone. Vor allem in Mali, aber auch in Niger und Burkina Faso sind die islamistischen Milizen eine Bedrohung, der bisher nichts Wirksames entgegengesetzt werden konnte. Die malische Putschregierung hofft, mithilfe der russischen Wagner-Söldner Erfolge zu verbuchen. So einfach ist das nicht: Etwa 1.000 Wagner-Söldner sollen sich im Land aufhalten, 700 Anschläge gab es allein dieses Jahr in Mali.
Und Österreich? Dort geht die Gefahr nach Einschätzung von Sicherheitsanalysen vor allem durch Einzeltäter aus, die sich in sozialen Netzwerken oder gemeinsam mit Gleichgesinnten radikalisieren. Groß angelegte Anschläge wie jener vor 25 Jahren in Nairobi werden derzeit nicht befürchtet.
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