Die Schätzungen, wie viele Kämpfer der IS-K umfasst, gehen auseinander. Von einigen hundert bis 2.200 ist die Rede. „Es gibt ein großes Mischmasch zwischen den Dutzenden verschiedenen Gruppierungen, die Angaben sind mit Vorsicht zu genießen. Fakt ist, in Afghanistan findet kein Zwei-Fronten-Krieg statt“, sagt Markus Gauster vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie zum KURIER.
Der IS-K, der seit etwa sechs Jahren im Land aktiv ist, hat derzeit keine Territorien mehr, konzentriert sich wie die IS-Kämpfer in Syrien und dem Irak auf gezielte Anschläge. Sowohl die afghanische Armee als auch die Taliban konnten in den vergangenen Jahren Erfolge im Kampf gegen den IS-K erzielen, endgültig zerstören konnten sie ihn nicht. Vor allem aus den umliegenden zentralasiatischen Ländern erhält die Terrormiliz Zulauf, aber auch aus Syrien und dem Irak.
Den Kampf um Geländekontrolle überlässt die Terrororganisation ihren Feinden – den Regierungstruppen und den Taliban, die derzeit Berichten zufolge vor der Eroberung der (ersten) Provinzhauptstadt Lashkargah stehen. Sollte ihnen die gelingen, könnten sie ihr lang ersehntes „Islamisches Emirat“ ausrufen. Geht ihr Vormarsch in der derzeitigen Geschwindigkeit weiter, könnte noch vor Jahresende mit Kandahar die drittgrößte Stadt Afghanistans in die Hände der Taliban fallen.
Auch wenn die Zukunft der derzeitigen Regierung düster aussieht, eine rasche Machtübernahme der Taliban wird nicht erwartet.
Erstens können sie auf Zeit spielen, zweitens sind sie nicht so homogen wie man annehmen könnte: Die schätzungsweise 85.000 Kämpfer setzen sich zusammen aus verschiedensten Volksgruppen, Clans, Warlord-Gruppierungen. Wie die Taliban herrschen, unterscheidet sich von Provinz zu Provinz: „Wir müssen auf die unterschiedlichen Gepflogenheiten schauen und können keine einheitlichen Normen von oben diktieren“, sagte ein Taliban-Sprecher.
Das zeigt sich etwa beim Umgang mit sich ergebenden Soldaten, die im einen Ort einfach erschossen, im anderen als Brüder willkommen geheißen werden. Aber auch im Umgang mit Bildungseinrichtungen: Während in Kunduz auch unter Taliban-Regime Mädchen – vorerst – die Schule besuchen dürfen, ist das in Helmand verboten.
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