Nationalstolz stirbt zuletzt
Seit dem Wochenende gilt auch für die Megacity: "Stay at home!" Mehr als acht Millionen Einwohner sollen ihre Wohnung nur noch für wichtige Besorgungen verlassen. Die Broadway-Theater sind geschlossen, ebenso Museen, die Freiheitsstatue oder die kultigen Luxus-Shopping-Tempel auf der berühmten Fifth Avenue. Auch der traditionsreiche Parketthandel der Börse an der Wallstreet ist eingestellt. Das Symbol der US-Wirtschaft. Gehandelt wird nur über Computersysteme. Vor der Börse hängt eine riesige US-Flagge. Der Nationalstolz stirbt zuletzt.
Manhattan ist kaum wieder zu erkennen – ohne die vielen Geschäftsleute, Banker, Angestellte, die auf dem Weg zur Arbeit ihren Kaffee aus dem Pappbecher schlürfen. Ohne Touristen und den Wahnsinns-Verkehr. Stattdessen schiebt eine Amazon-Lieferantin einen Wagen mit Paketen mitten über den Broadway. Die Menschen würden jetzt mehr bestellen als sonst, sagt sie. Warum sie sich nicht mit einer Maske vor dem Mund schützt? Maria zuckt ratlos mit den Schultern: "Wenn uns die Firma Masken gibt, gern. Aber wenn ich täglich eine Maske brauche und das selbst bezahlen muss, das ist zu viel." Weil deutlich weniger New Yorker derzeit mit der U-Bahn fahren und sich mehr als 50 Mitarbeiter bereits mit dem Coronavirus infiziert haben, ist der U-Bahn-Betrieb eingeschränkt worden.
Ruhe vor dem Sturm
Surreal auch das Bild in Chinatown: Wo sonst geschäftiges Treiben herrscht und man glaubt, in einem komplett anderen Land zu sein, herrscht gespenstische Ruhe. Die Straßenstände der Gemüse- und Obsthändler sind verwaist. Im benachbarten Little Italy - das gleiche Bild. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Das riesige Ausstellungsgelände Javits Center lässt sich von außen ebenso nichts anmerken. Doch innen bereitet die National Guard gerade den Umbau zu einem Krankenhaus für Notfälle um. 1.000 Corona Patienten sollen hier untergebracht werden können. In rund einer Woche soll es voll funktionsfähig sein.
Die USNS Comfort, ein Krankenhaus-Schiff der Navy wird länger brauchen, bis es
New York erreicht. Darauf sollen rund 1.200 Ärzte und Schwestern Patienten ohne Virus versorgen, um die Krankenhäuser zu entlasten. Doch es wird ein Wettlauf mit der Zeit. Laut Gouverneur Andrew Cuomo verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle drei Tage. Der Staat New York würde 140.000 Betten für Viruspatienten benötigen. Derzeit gibt es gerade einmal 53.000. Cuomo fordert die Regierung auf zu helfen, 30.000 Beatmungsgeräte würden fehlen.
Während die Straßen leergefegt sind, herrscht in den Parks noch reges Treiben. Rund um das Jaqueline Kennedy Reservoir, das schon Schauplatz für Filme wie "Frühstück bei Tiffany’s" oder "Sex and the City" war, keuchen Jogger an Spaziergängern vorbei. Auf engstem Raum. So, als ob, ihnen das
Virus nichts anhaben könnte. "Ein Mal am Tag muss ich raus," meint Michelle. "Mein Apartment ist mini - wie eine Schuhschachtel." Und genau das ist das Problem. New York ist so dicht besiedelt, wie keine andere Stadt in den USA.
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