Wie Trump durch die Corona-Krise taumelt

President Trump and Members of the Coronavirus Task Force hold a press briefing
Der Zick-zack-Kurs des US-Präsidenten könnte der Wirtschaft großen Schaden zufügen und ihm seine Wiederwahl kosten.

Der Vizegouverneur von Texas macht in den USA selten Schlagzeilen, doch in der Corona-Krise ist Dan Patrick das Kunststück gelungen: Der 69-jährige Republikaner sagte dem Sender Fox News, er sei bereit, sein Überleben zu riskieren, um das Amerika von heute für seine Enkel zu erhalten und um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden.

Seine Botschaft: "Lasst uns zur Arbeit zurückkehren, lasst uns zum Leben zurückkehren." Das widerspricht den Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Dennoch liegt Patrick damit auf dem neuen Kurs, den Präsident Donald Trump eingeschlagen hat - obwohl die USA zum Epizentrum der Krise zu werden drohen.

Ende des Wirtschaftsbooms

Trump muss um seine Wiederwahl im November bangen. Das zentrale Argument, das der Republikaner vor der Ausbreitung des Virus im Wahlkampf anführte: Die boomende Wirtschaft in den USA. Diesem Boom setzt die Krise nun ein jähes Ende. Die Investmentbank Morgan Stanley sagt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um sagenhafte 30,1 Prozent im zweiten Quartal voraus - und einen Anstieg der Arbeitslosenquote von 3,6 auf 12,8 Prozent.

Auch am Aktienmarkt - den Trump zu seinem Erfolgsmaßstab gemacht hat - sieht es düster aus. Der Aktienindex S&P 500 ist zwischenzeitlich unter den Wert zum Zeitpunkt von Trumps Einzug ins Weiße Haus gefallen.

Kurswechsel

Trump bemühte sich zunächst, die Corona-Krise kleinzureden. Noch vor einem Monat sagte er mit Blick auf das Virus: "Eines Tages - es ist wie ein Wunder - wird es verschwinden." Als der Ernst der Lage unverkennbar wurde, gab er sich als resoluten Krisenmanager. In einer denkwürdigen Ansprache an die Nation verkündete er unter anderem einen Einreisestopp für Menschen und Güter aus Europa.

Das Weiße Haus musste danach klarstellen, dass Waren nicht betroffen sind, dass Trump nur die Schengen-Staaten meinte und dass Amerikaner weiterhin zurückkehren dürfen. Nun hat die nächste Phase begonnen: Trump will, dass die Amerikaner trotz des Virus wieder zum Alltag übergehen.

Epizentrum

"Wir fangen an, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen", sagt Trump am Dienstagabend im Weißen Haus. Dabei liegen die USA inzwischen mit mehr als 54.000 nachgewiesenen Infektionen an dritter Stelle hinter China und Italien. Alleine am Dienstag sprang die Zahl der Toten von 600 auf 780. Fast die Hälfte der rund 327 Millionen Amerikaner unterliegt inzwischen Ausgangsbeschränkungen in den jeweiligen Bundesstaaten.

Trump selber hat Richtlinien erlassen, die unter anderem vorsehen, dass Ansammlungen mit mehr als zehn Menschen vermieden werden sollen. Diese Richtlinien gelten 15 Tage lang, also bis zum kommenden Montag. Trump macht nun deutlich, dass er sie nicht auf lange Sicht aufrechterhalten will.

"Medizin schlimmer als das Problem"

Der Präsident argumentiert, dass die Folgen der Schutzmaßnahmen verheerender würden als die Auswirkungen der Pandemie. "Diese Medizin ist schlimmer als das Problem", sagt er am Dienstag dem Sender Fox News. "Man wird mehr Menschen verlieren, indem man das Land in eine massive Rezession oder Depression stürzt.

 

Mehr Menschen werden sterben. Man wird Tausende Selbstmorde haben. Alles Mögliche wird passieren. Man wird Instabilität haben. Man kann nicht einfach reinkommen und sagen, lasst uns die Vereinigten Staaten von Amerika schließen, das mit Abstand größte, erfolgreichste Land der Welt."

Hochriskanter Schritt

Bis Ostersonntag - der 12. April - will Trump die USA wieder weitgehend im Normalbetrieb sehen. "Ich denke, das ist absolut möglich", sagt er mit Blick auf die nicht einmal dreiwöchige Frist. "Wir müssen unser Land wieder an die Arbeit bringen." Es ist ein hochriskantes Manöver: Eine Studie des Imperial College in London aus der vergangenen Woche geht von geschätzten 2,2 Millionen Toten in den USA aus, würden keinerlei Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen. Trump argumentiert, Schutzmaßnahmen wie Händewaschen oder Abstand halten seien auch am Arbeitsplatz möglich.

Umstrittener Kurs

Trump - der sich stets seiner Instinkte rühmt - weiß, dass das ein umstrittener Kurs ist. Sicherlich gebe es Ärzte, die sich dafür aussprechen, die USA zwei Jahre lang zu schließen, sagt er. Die Vereinigten Staaten müssten aber offen für Geschäfte bleiben. "So ist dieses Land aufgebaut worden."

Mit Blick auf Ostern schränkt der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, während der täglichen Coronavirus-Pressekonferenz mit Trump in Weißen Haus am Dienstagabend allerdings diplomatisch ein: "Man kann ein Datum ins Auge fassen, aber man muss sehr flexibel sein."

Trump bemüht - wie zu Beginn der Krise - auch wieder fragwürdige Vergleiche mit der Grippe, inzwischen zieht er sogar Parallelen zu Verkehrstoten. Sowohl an Influenza (wogegen man sich impfen lassen kann) als auch bei Unfällen (die mit Krankheiten nichts zu tun haben) stürben viel mehr Menschen als an Covid-19, sagt er. Deswegen würden die USA aber weder ihre Geschäfte schließen, noch würden Automobilfirmen aufgefordert, die Produktion einzustellen.

Kritik aus eigenen Reihen

Widerspruch kassiert Trump auch aus dem eigenen Lager. Der republikanische Senator und Trump-Verbündete Lindsey Graham schreibt auf Twitter: "Es gibt keine funktionierende Wirtschaft, wenn wir das Virus nicht kontrollieren." Ähnlich äußert sich Scott Gottlieb, der unter Trump Chef der Arzneimittelzulassungsbehörde FDA war: Die Wirtschaft könne nicht laufen, "solange sich Covid-19 in unseren größten Städten weiterhin unkontrolliert ausbreitet".

Vizegouverneur Patrick - der wegen seines Alters einer Risikogruppe angehört und nach eigenen Angaben sechs Enkel hat - sagt dagegen: "Diejenigen von uns, die über 70 sind (er selber ist 69), wir werden uns um uns selber kümmern, aber nicht das Land opfern." Hunderte seiner Gesprächspartner sähen das so wie er. Patrick betont: "Machen Sie nicht diesen großartigen amerikanischen Traum zunichte." Der Trump-kritische Sender CNN fasst die Botschaft des Vizegouverneurs, aber auch des Präsidenten so zusammen: "Dass Amerikas Wirtschaft mehr Wert ist als die Leben, die verloren würden".

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