New York: Eine Metropole erstarrt in Angst
9/11, Weltfinanzkrise, Naturkatastrophen: New York kann wirklich jede Menge wegstecken. Das dringt Andrew Cuomo bei seinen Presse-Konferenzen, die zwischen Information, Andacht und Motivationsreden pendelnden, durch alle Poren. Umso mehr Gewicht hat, wenn der Gouverneur des Bundesstaates, ein knorriger Klartext-Demokrat, zwischen Stärke und Widerstandskraft auf einmal echte Zukunftsangst durchschimmern lässt. „Wir können das allein nicht managen“, sagt der 62-Jährige in Richtung Weißes Haus.
Ausgangssperre
Mit knapp 17.000 Infektionen, 10.000 davon allein in New York City, wo bereits weitreichende Ausgehsperren gelten, und mit rund 150 Toten (Stand: Montagmorgen) ist der Bundesstaat zum Epizentrum der Krise in den USA geworden. Zahlensprünge von 5.000 Infektionen binnen 24 Stunden lassen Cuomo Schlimmstes befürchten – den Zusammenbruch des Gesundheitswesens.
Dass im „Big Apple“ in den Krankenhäusern analog zu Norditalien bald gesiebt wird, wer Hilfe erhält und wen man mangels Materials (es fehlt nach wie vor an elementarsten Dingen wie Schutzmasken, Handschuhen, Beatmungsgeräten) de facto sterben lässt, gilt mit einem Blick in soziale Medien unter Ärzten und Pflegern „fast als unausweichlich“. Der April, heißt es dort, werde „schrecklich“. Und der Mai „noch schrecklicher“.
Kranke ins Hotel
Cuomo hat kalkuliert, dass bis zu 40.000 Intensivbetten notwendig seien – NY hat knapp 3.000. Davon sind mehr als zwei Drittel bereits belegt. Um den Engpass irgendwie provisorisch aus der Welt zu schaffen, sollen Tausende Hotelbetten in der ohnehin leer gefegten Tourismusmetropole umfunktioniert werden. Außerdem errichtet die nationale Katastrophenschutzbehörde Fema mit Unterstützung der Nationalgarde im Javits-Messe-Zentrum am Hudson-River Feldlazarette mit 2.000 Betten. Weitere 1.000 kommen im April übers Wasser. Dann soll das Marine-Krankenhausschiff „Comfort“ vor New York ankern.
Verbote ignoriert
Nicht genug, sagt Cuomo. Denn die Ansteckungsrate zeigt weiter steil nach oben. Weil zu viele New Yorker, die er „arrogant“ und „unsensibel“ nennt, das Gebot des „sozialen Abstandhaltens“ ignorierten. Seit Sonntagabend 20 Uhr sind darum alle „nicht unverzichtbaren“ Geschäfte zwangsgeschlossen. Geschäfte, die Schnaps und andere flüssige Gehhilfen anbieten, bleiben geöffnet. „Es ist so, als habe man der Stadt wirklich den Stecker gezogen“, schreibt ein Leser der New York Daily News. Cuomo und der Bürgermeister von New York City, Bill de Blasio, wollen einen totalen „Shutdown“ der Neun-Millionen-Metropole vermeiden, in der sich zuletzt täglich wegen Corona weit über 150.000 Menschen arbeitslos meldeten.
Aber dass die Zahl der Subway-Passagiere von 5,5 Millionen pro Tag auf rund eine Million gesunken ist, sei noch nicht genug. „Die Leute müssen bis auf absolute Ausnahmefälle wirklich zu Hause bleiben“, predigen die beiden Demokraten. Der Wall Street dagegen ist die Entscheidung aus der Hand genommen worden. Die Börse findet seit Montag nur noch virtuell statt. Das Handelsparkett ist gesperrt.
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