Neuwahlen nach peinlichem Justizfehler - nun steht Portugal vor Rechtsruck

Antonio Costa (li.) küdigte im November seinen Rücktritt an. Pedro Nuno Santos (re.) führt nun Portugals Sozialisten in die Wahl am Sonntag
Bei den portugiesischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Sozialisten und dem rechtskonservativen Bündnis erwartet.

Eigentlich hätte Portugals sozialistischer Ministerpräsident Antonio Costa (PS) noch mindestens zwei Jahre regieren können. Doch ein nahezu peinlicher Justizirrtum zwang ihn, im Oktober zurückzutreten. Nun finden am kommenden Sonntag Neuwahlen statt. Es war ein Fehler bei der Abschrift eines polizeilichen Abhörprotokolls, der im vergangenen Herbst zum Rücktritt Costas führte.

Die Staatsanwalt ermittelte in mutmaßlichen Korruptionsfällen von Regierungsmitgliedern bei der Vergabe von Lizenzen für Lithiumbergwerken im Norden des Landes und anderen Großprojekten.

Neuwahlen nach peinlichem Justizfehler - nun steht Portugal vor Rechtsruck

Ein peinlicher Justizfehler zwang Antonio Costa im Oktober zum Rücktritt

Der falsche Costa geriet ins Visier

In dem abgehörten Telefongespräch wurde der Name von Antonio Costa genannt. Daraufhin wurde sein Büro durchsucht, der Verdacht sickerte an die Presse durch. Doch war nicht im besagten Gespräch von Premier Antonio Costa die Rede, sondern von Wirtschaftsminister Antonio Costa Silva. Die Ermittler hatten den zweiten Nachnamen einfach nicht in die Transkription übernommen.

Die Staatsanwaltschaft musste einen schweren Verfahrensfehler einräumen. Doch der sozialistische Regierungschef hatte zwar seine Unschuld beteuert, aber trotzdem seinen Rücktritt eingereicht, weil er mit dem Korruptionsverdacht nicht die Würde seines Amtes überschatten wollte. Er tritt nach acht Jahren an der Regierung - zuletzt mit absoluter Mehrheit - auch nicht mehr bei den Wahlen an.

Sein Ruf ist vorerst gerettet, viele Portugiesen schätzen seinen Rücktritt als ethisch. Aber auch seine sozialistische Partei mit dem neuen Spitzenkandidaten Pedro Nuno Santos hat sich in den Wahlumfragen relativ schnell von dem Korruptionsskandal erholt, obwohl immer noch gegen den ehemaligen sozialistischen Wirtschaftsminister und andere PS-Parteifunktionäre ermittelt wird und die rechtspopulistische Chega und die Parteien des rechtskonservativen AD-Bündnisses bereits Portugals Städte mit Wahlplakaten zupflasterten, auf denen sie gegen die "Korruption und mangelnde Ethik" der regierenden Sozialisten wettern.

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Am Sonntag wird ein enges Kopf-an-Kopf Rennen zwischen den Sozialisten (PS) und dem rechtskonservativen Parteien-Bündnis Aliança Democrática (AD) von Oppositionsführer Luis Montenegro erwartet. Eine Umfrage des Aximage-Instituts für verschiedene portugiesische Tageszeitungen prognostiziert 33,1 Prozent für die AD und 29,6 Prozent für die Sozialisten. In den meisten anderen Umfragen wie zuletzt vom Ipespes-Institut liegt das rechtskonservative Bündnis mit rund 35 Prozent aber deutlicher vor den Sozialisten, die demnach nur auf 26 Prozent der Stimmen kommen.

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Spitzenkandidat der Sozialisten: Pedro Nuno Santos 

Was den Rechtsruck wahrscheinlicher macht: Die Sozialisten können nur auf eine von der Linkspartei Bloco (BE) gestützte Minderheitsregierung setzen. BE und die andere Linkspartei CDU stützten seit 2019 schon einmal Costas Minderheitsregierung und ließen diese 2022 scheitern, weil sie im Haushaltsentwurf nicht die ausgemachte Balance zwischen Schuldenabbau und Sozialpolitik sahen. Es kam zu einem tiefen Zerwürfnis, zumal die Sozialisten bei den Neuwahlen auf Kosten der Linken eine absolute Mehrheit erreichten. Andererseits dürfte Bloco maximal auf 6 Prozent der Stimmen kommen und kaum eine Auswirkung auf Regierungsmehrheiten haben.

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Der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Chega-Partei: André Ventura 

Zuwachs für Rechtspopulisten

Der Schlüssel für den Rechtsruck wird allerdings die Chega-Partei sein. Die Rechtspopulisten von André Ventura dürften so hohe Stimmenzuwächse verzeichnen wie keine andere Partei. Nach ihren jüngsten Erfolgen bei den Regionalwahlen auf den Azoren und Madeira wird Chega laut Umfragen auch bei den Parlamentswahlen seine Stimmen von vor zwei Jahren von 7 auf bis zu 15 oder 20 Prozent mehr als verdoppeln können und damit seine Position als drittstärkste Parlamentsfraktion deutlich ausbauen.

Zwar betont Oppositionsführer Montenegro immer wieder, sich auf keinen Fall von den Rechtspopulisten stützen zu lassen. "Doch das könnte sich ändern, sollte es wirklich zu einem Patt zwischen dem Links- und Rechtsblock kommen und von Chega ein möglicher Regierungswechsel abhängen", erklärt José Pestana Perreira, Politologe an der Lissaboner School of Sociology and Public Policy ISCTE-IU, im APA-Gespräch.

Chega war bisher eine größtenteils isolierte Außenseiterpartei mit klassischen Themen einer radikalen Rechtspartei: illegale Migration, Abschaffung von Vorteilen für soziale Minderheiten, härtere Strafen für Kriminelle. Außerdem lockt Chega mit großzügigen, aber nicht immer realistischen Wirtschaftsversprechen. Anscheinend kommen die Populisten laut Umfragen gut bei Wählern zwischen 18 und 34 Jahren an.

Unmut über die beiden Volksparteien

Das liegt laut Pestana Perreira aber weniger an den dogmatisch-populistischen Vorschlägen der Rechten als viel mehr am Unmut über die beiden großen Volksparteien - allen voran über die Sozialisten. Der Grund: Nicht wenige junge Menschen haben das Gefühl, die Sozialisten hätten sich die letzten acht Jahre mehr um die Anliegen des älteren und größeren Teils der Wahlbevölkerung gekümmert, als eine bessere Zukunft für die jüngeren Generationen vorzubereiten.

"Geringe Gehälter, Wohnungsnot, kaum bezahlbare Mieten. Unter der Jugend herrscht ein Klima der Hoffnungslosigkeit und die Rechte verspricht Veränderungen", sagt der Politologe den enormen Wachstum der Rechtspopulisten.

Zwar konnte die Jugendarbeitslosigkeit von 43 Prozent im Jahr 2013 stark reduziert werden, betrug im letzten Quartal 2023 aber immer noch 23,9 Prozent im Vergleich zu den 6,6 Prozent im Landesdurchschnitt. "Die Politik redet zwar viel über die Jugend, tut aber wenig für sie. Schlimmer noch: die jüngsten Arbeitsgesetze lassen junge Menschen in prekären Verhältnissen und in Arbeitslosigkeit zurück", erklärt João César das Neves, Wirtschaftsprofessor an der Katholischen Universität in Lissabon. Viele junge Wähler könnten deshalb auf einen radikalen Kurswechsel setzen, der zu einem Rechtsruck und dem Fall einer der bisher stärksten sozialistischen Bastionen in Europa führt.

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