Warum sich bei der Wahl in Portugal alle verzockt haben

Premier Antonio Costa dürfte als Erster durchs Ziel gehen
Bei dem vorzeitigen Urnengang dürfte Premier Costa die angepeilte absolute Mehrheit verfehlen, seine linken Steigbügelhalter werden laut Umfragen abgestraft. Profiteur: Die Rechte.

Eigentlich lief alles ganz gut für die Linke: Der sozialistische Premier Antonio Costa führte das im Zuge der Finanzkrise schwer gebeutelte Portugal seit 2015 als Chef einer Minderheitsregierung, gestützt durch den Linksblock, Kommunisten und Grüne, erfolgreich durch all die Jahre. Doch im Herbst des Vorjahres kam es zum Bruch der Allianz, sie brachte kein Budget mehr auf den Weg – weil alle Seiten meinten, die Gunst der Stunde zur Stimmenmaximierung nutzen zu können. Doch alle Umfragen legen nahe, dass sie sich dabei gründlich verzockt haben.

Was war passiert? Das frühere Armenhaus im Südwesten Europas hatte von der EU im Sommer fast 14 Milliarden Euro für den nationalen Aufbauplan im Zuge der Corona-Misere erhalten. Während Costa, der unter anderem den Mindestlohn um 20 Prozent erhöht und die Kürzungen der Renten und Beamtenlöhne zurückgenommen hatte, seinen dennoch gemäßigten Sparkurs fortführen wollte, sahen seine linken Steigbügelhalter die Zeit gekommen, ihr Profil zu schärfen.

Die Linken, die im Schatten der Sozialisten viele Anhänger verloren hatten, forderten unter anderem eine Reduzierung der Arbeitszeit, bezahlbares Wohnen, höhere Renten sowie Reformen im Gesundheits- und Pensionssystem. Costa konnte beziehungsweise wollte da nicht einlenken – durfte er doch damals (nach letztlich gelungenem Pandemie-Management) auf eine absolute Mehrheit hoffen. Nun, von der ist er weit entfernt, seine Partner werden für ihren strategischen Zug abgestraft.

Zwar gehen die allermeisten politischen Beobachter davon aus, dass der Regierungschef mit seinen Sozialisten als Erster durchs Ziel gehen wird, doch ist ihm die größte rechte Oppositionsgruppe zuletzt gefährlich nahe gekommen. Und das, obwohl die „Sozialdemokraten“, wie sich die Bürgerlichen in Portugal nennen, intern zer- und die Führung der Partei durch Rui Rio umstritten ist.

Warum sich bei der Wahl in Portugal alle verzockt haben

„Neue Horizonte für Portugal“ will Oppositionschef Rui Rio (li.)

„Novos horizontes“, also „neue Horizonte“, ließ er propagieren. Doch die sehen viele stramme Konservative im Lager der rechtspopulistischen Gruppierung „Chega“ (frei übersetzt: Es reicht). Sie, die bei der Wahl 2019 gerade einmal über ein Prozent der Stimmen gekommen waren, könnten jetzt mit gut sechs Prozent zur drittstärksten Fraktion aufsteigen. Das ist bemerkenswert in einem Land, in dem wegen der faschistischen Diktatur (Anfang 1930er-Jahre bis 1974) die extreme Rechte bisher keinen Fuß auf den politischen Boden gebracht hat.

Letztendlich dürfte aber am Kabinett Costa III kein Weg vorbeiführen. Spekuliert wird, dass er bei der Mehrheitsbeschaffung auch mit der relativ neuen, aufstrebenden Natur- und Tierpartei PAN kooperieren könnte.

Impfrate bei 90 Prozent

Erstaunlicherweise nahm die Corona-Pandemie im Wahlkampf keinen breiten Raum ein. Die Gründe: Einerseits gab und gibt es in dieser Frage einen parteiübergreifenden Konsens, an einem Strang zu ziehen. Andererseits führt die Omikronwelle, die Portugal gerade mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von rund 3.700 überrollt, zu keiner Überlastung der Spitäler, wie man es noch vor einem Jahr gesehen hat. Kein Wunder, sind doch 90 Prozent aller Bürger über zwölf Jahren geimpft.

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