Ein zweite gelbe Karte der EU-Richter gab es gestern auch für Polen. Dort sieht der EuGH die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr, weil Warschaus Justizminister zu viel Macht besitzt:
Dieser kann Richter laut EuGH „nach Kriterien, die nicht bekannt gegeben werden“, an ein anderes Gericht schicken oder wieder abberufen. So sei nicht auszuschließen, heißt es im Urteil, „dass diese Regelung als Instrument zur politischen Kontrolle ... eingesetzt werde“.
Die rechts-nationalistische PiS-Regierung wies diese Entscheidung vehement zurück. „Das heutige EuGH-Urteil ist ein weiterer Versuch, das Justizsystem in Polen zu destabilisieren“, empörte sich Vize-Justizminister Sebastian Kaleta.
Damit bleibt die Regierung in Warschau auf Frontalkurs zur EU. Erst vor wenigen Wochen hatte Polens Oberstes Gericht festgestellt: Teile der EU-Verträge seien mit der eigenen Verfassung nicht vereinbar – und einige EuGH-Urteile daher auch nicht umzusetzen.
Unklar ist somit, ob Warschau das jüngste Urteil umsetzen wird. Ebenso wie Ungarn: Erst in der Vorwoche hat die EU-Kommission beim EuGH finanzielle Sanktionen beantragt, weil Ungarn ein früheres Urteil zu Asylverfahren nicht umgesetzt hat.
Ohne Sanktionen kommt Polen aber dennoch nicht davon. Weil es sich weigert, ein älteres Urteil des EuGH anzuerkennen, muss es derzeit ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro zahlen. Zudem bleiben für Ungarn und Polen vorerst die vielen Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds versperrt.
Erst müsse Polen den Umbau seines Justizsystems korrigieren, fordern auch die Chefs von fünf Fraktionen im EU-Parlament.
„Wir dürfen den Rechtsstaatsabbau nicht länger mit EU-Geldern finanzieren“, sagt die EU-Abgeordnete Bettina Vollath. Die Ungarn-Berichterstatterin der sozialdemokratischen Fraktion betont: „Wir haben Instrumente zur Verteidigung vertraglich zugesicherter EU-Grundwerte an der Hand. Sie müssen aber auch genützt werden.“
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