Neuer Vorstoß: Prinzip der Einstimmigkeit in der EU soll fallen

Protest für die Einführung einer EU-weiten Digitalsteuer
EU-Kommissar Moscovici legt Plan vor: Mehrheitsentscheidungen in der Steuerpolitik sollen Blockaden in der EU brechen.

Wenn es nicht gemeinsam geht, dann eben alleine: Spätestens ab 2020 will Österreich von internationalen Online-Riesen wie Facebook, Google & Co. Digitalsteuern einheben. Frankreich tut dies bereits seit Jahresbeginn.

Eigentlich hätten nach Vorschlag der EU-Kommission alle 28 EU-Staaten eine einheitliche Digitalsteuer einführen sollen. Doch weil in der EU Steuerfragen einstimmig gelöst werden müssen, steckt das Projekt fest: Irland und einige skandinavische Länder legen sich quer.

Neuer Vorstoß: Prinzip der Einstimmigkeit in der EU soll fallen

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici

Für EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici brachte die Lähmung rund um die Einführung einer Digitalsteuer das Fass zum Überlaufen. Am Dienstag wird er vorschlagen, das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen in der EU zu kippen. „Wir werden zeigen, dass die Einstimmigkeit kein Schutz ist, sondern ein Hindernis“, sagt er. Selbst bei kleineren technischen Änderungen müssen alle EU-Staaten geschlossen mitziehen.

Stattdessen sollten die EU-Regierungen zu Mehrheitsentscheidungen übergehen. Dadurch, so fordert es auch EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker seit fast zwei Jahren, könne die Union effizienter und schneller entscheiden – etwa auch bei der Einführung einer einheitlichen Körperschaftssteuer.

Im Bereich der europäischen Außenpolitik möchte Brüssel das Korsett der Einstimmigkeit ebenso loswerden. „Wir müssen endlich Ernst machen, in unserem Bemühen, qualifizierte Mehrheiten zu finden“, forderte diese Woche auch Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn. Bisher habe er diesbezüglich unter den EU-Staats- und Regierungschefs aber noch „keinen großen Eifer“ feststellen können.

Das Match Einstimmigkeit gegen Mehrheit zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der EU. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle legte 1965 ein halbes Jahr die gesamte damalige EWG lahm, weil er die Abschaffung einstimmiger Beschlüsse im Agrarbereich verhindern wollte. Er weigerte sich, auf Frankreichs Vetorecht zu verzichten.

Im Grunde hat sich daran bis heute nichts geändert: Fällt das Prinzip der Einstimmigkeit, fürchten viele Staaten ihre nationalen Interessen nicht durchsetzen können. Darunter aber leidet die europäische Handlungsfähigkeit.

„Gäbe es das Einstimmigkeitsprinzip nicht, gäbe es schon längst einen voll funktionierenden Außengrenzschutz der EU“, ärgert sich auch der ÖVP-EU-Delegationsleiter Othmar Karas.

Gegen die geplante Aufstockung der Frontex-Grenzschützer auf 10.000 Mann legen sich Italien, Griechenland, Spanien und Ungarn quer.

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