Streit geht wieder los
Dabei geht es um die Abschaffung der richterlichen Möglichkeit, auch Grundgesetze zu kippen, wenn sie geltender Rechtsauffassung widersprechen. Wobei ein „Grundgesetz“ in Israel keine besondere parlamentarische Mehrheit voraussetzt wie in Österreich. Eine Stimme Mehrheit genügt. Soll heißen: Opposition wird überflüssig.
Heikle Entscheidung
Mitte Januar will das Oberste Gericht seine Entscheidung bekanntgeben. Doch schon letzten Dienstag sickerte ein Vorentwurf der Richter an die Medien durch. Demnach wollen 8 der 15 Oberrichter schon diese erste Stufe der geplanten Justizreform stoppen. Ein Skandal: Wie konnte der Vorentwurf aus den abgeschirmten Arbeitszimmern der Richter vorzeitig nach außen dringen? Sein Durchsickern dient auf jeden Fall der Einschüchterung der Richter. Was die knappe Mehrheit in letzter Minute noch ändern könnte.
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Wahlkampf mit Krieg
Schon seit Wochen zeigt sich, dass Premier Benjamin Netanjahu Wahlkampf mit Kriegsführung verwechselt. Offiziell will er sich allein dem Kampf gegen den Hamas-Terror widmen. Fast jeder seiner öffentlich ausgesprochenen Sätze beginnt mit „Jachad“: Gemeinsam, zusammen, vereint. Wobei „Jachad“ sich aber auf die Opposition beschränken soll. Tatsächlich zeigt die Opposition der Reservesoldaten Einheit. Aus den über Monate hinweg militärisch straff organisierten Protesten gegen die Justizreform“ kam auch der erste Widerstand gegen die Hamas-Terroristen. Reservisten stürmten in Zivil mit ihren Gewehren los, Stunden bevor die ersten regulären Truppen vor Ort eintrafen. Sie versorgten auch als erste die Überlebenden mit Nahrung und Kleidung.
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Opposition handelt
Während die Regierung bis heute keine wirksame Hilfe schafft. Für Kriegszwecke bestimmte Gelder zweigte sie sogar zur Finanzierung politischer Ziele ihrer Koalitionsparteien ab. Auch die Neuauflage des altneuen Streits um die Justizreform bekräftigt, was schon lange kein Geheimnis mehr ist: In Hinterzimmern sitzen ganze Beraterstäbe mit nur einem Ziel: Netanjahus Entlastung vorbereiten. Für den „Tag nach dem Krieg“, wenn die Suche nach den Schuldigen am großen Versagen beginnt.
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Verteidigung von Netanjahu
Sie sammeln Material gegen alle Mitbeteiligten: Hohe Offiziere, lokale Behörden, Geheimdienste, Berater. Alle sind sie schuldig. Alle haben sie den Premier hintergangen und nicht vorgewarnt. Sogar die 30 Jahre alten Oslo-Abkommen mit den Palästinensern werden zum Entlastungsmaterial. Dieser Friedensprozess habe den Terror doch erst in Gang gesetzt.
"Kein Hamastan"
Fragen nach den politischen Folgen des Krieges, wie sie auch die US-Regierung stellt, lässt Netanjahu unbeantwortet. Er stellt nur eines klar: „Kein Hamastan, kein Fatahstan!“ Also keine politischen Zugeständnisse, auch keine Machtübergabe im Gazastreifen an die palästinensische Autonomiebehörde. Nur Israels Premier soll unverändert Netanjahu heißen.
Unklar bleiben dabei auch die Kriegsziele dieser Regierung. „Ausmerzung der Hamas-Herrschaft“ und „die Befreiung aller Geiseln“ sind nicht gleichzeitig zu erreichen. Wenn überhaupt. Jetzt ist plötzlich die Rede von einer Pufferzone mit Abzug der riesigen mobilisierten Reservekräfte. Statt flächendeckender Angriffe nur noch lokal begrenztes Eingreifen kleiner Verbände gegen verschanzte Terroristen.
Rückkehr fraglich
Was Soldaten wie auch Gazas Zivilisten schonen soll. Klingt gut. Klingt aber auch nach Abnutzungskrieg, der sich noch Monate hinziehen kann. Es wäre nicht der erste für Israel. In früheren Ermüdungskriegen stieg in Israel die Bereitschaft zur Auswanderung. In einem neuen wäre es fraglich, ob die Evakuierten trotz weiterer Raketenangriffe im Süden wie im Norden überhaupt noch in ihre verlassenen oder zerstörten Häuser zurückkehren wollen. Ganz egal, wie 2024 der Premier heißen wird.
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