Doch so leicht dürfte dies nicht sein: Mit 32 Mitgliedern ist die NATO auf dem Papier so stark wie nie zuvor – das soll auf dem Festakt zum 75-jährigen Bestehen die Botschaft sein. Just Stoltenbergs Vorschlag könnte aber dazu führen, dass das Bild der zur Schau gestellten Einigkeit einmal mehr Sprünge bekommt: Denn dass etwa Ungarn sofort dazu bereit ist, die Ukraine mit einer anteilsmäßigen Summe zu unterstützen, darf bezweifelt werden. Schon die Aufnahmen Finnlands und Schwedens wurden von Budapest und Ankara blockiert, bis entsprechende Rüstungsgeschäfte Ungarn und die Türkei zufriedenstellten.
Ohne USA nicht verteidigungsfähig
Und dann wären da noch die USA, ohne die die NATO derzeit kaum verteidigungsfähig wäre. Selbst wenn Joe Biden Präsident bleiben sollte, bleibt fraglich, ob der US-Kongress weiteren Geldern für die Ukraine zustimmen würde, hängt doch bereits das 60-Milliarden-Dollar-Paket seit Monaten fest. Ein US-Präsident Donald Trump wiederum wäre in allen Belangen unberechenbar. Er hat – wie auch schon sein Vorgänger Barack Obama – seinen Unmut über die Auf- und Nachrüstungsbereitschaft seiner europäischen Partner kundgetan und drohte unlängst damit, Staaten, die weiterhin säumig bleiben, im Ernstfall nicht zu verteidigen. Ebenso skeptisch ist er bei der Ukraine-Hilfe.
Das ist auch mit ein Grund, warum Stoltenberg für eine eigene NATO-Mission für die Ukraine wird. Wohlgemerkt keine, in der es um Entsendung von Soldaten in das angegriffene Land geht. In diesem Punkt sorgt derzeit der französische Präsident Emmanuel Macron für Spekulationen.
Unter NATO-Obhut sollen laut Stoltenberg auch Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte kommen. Die Koordination von Waffenlieferungen für die Ukraine nehmen derzeit die USA federführend wahr. Sie organisieren dazu regelmäßig Treffen auf ihrem Luftwaffenstützpunkt in Ramstein. Die Idee von Stoltenberg ist es - nach Angaben von Diplomaten - die Unterstützung der Ukraine zu vergemeinschaften, um sie weniger abhängig von politischen Entwicklungen in einzelnen Bündnisstaaten zu machen.
Durch den Krieg in der Ukraine rücken die Spannungen zwischen den USA und China in den Hintergrund – dort wird aber im NATO-Rahmen nach wie vor heftig debattiert. Während Washington die Volksrepublik als Rivalen und künftige Bedrohung sieht, liegt der europäische Fokus auf Russland.
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