Israel meldet größte Razzia in Ramallah seit Jahren

Israel meldet größte Razzia in Ramallah seit Jahren
Israelische Soldaten sind mit Dutzenden Militärfahrzeugen in Ramallah gelandet. Dort hat die von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas geführte Autonomie-Behörde ihren Sitz.

Die israelischen Sicherheitskräfte haben in Ramallah im von ihnen besetzten Westjordanland die größte Razzia seit Jahren vorgenommen. Bei dem Einsatz in der palästinensischen Verwaltungshauptstadt in der Nacht zu Montag wurde nach palästinensischen Angaben ein 16-jähriger Jugendlicher getötet. 

Augenzeugen berichteten, dass israelische Soldaten mit Dutzenden Militärfahrzeugen in Ramallah gelandet seien. Dort hat die von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas geführte Autonomie-Behörde ihren Sitz. 

Das israelische Militär war am Montag zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Das palästinensische Gesundheitsministerium teilte mit, israelische Soldaten hätten bei Durchsuchungen in dem Flüchtlingslager Am'ari den 16-jährigen Mustafa Abu Schalbak getötet. Der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge kam es zu Zusammenstößen, als israelische Soldaten das Lager gestürmt hätten. Dabei hätten sie auf palästinensische Jugendliche mit scharfer Munition geschossen. Abu Schalbak sei in die Brust und in den Hals getroffen worden.

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen Anfang Oktober haben auch im Westjordanland, dem anderen und von der gemäßigten Fatah regierten Palästinenser-Gebiet, die Spannungen und die Gewalt zugenommen.

Mindestens 400 Palästinenser wurden seither bei Zusammenstößen mit israelischen Soldaten und Siedlern getötet. Israelische Sicherheitskräfte gehen regelmäßig gegen Palästinenser in dem seit 1967 besetzten Gebiet vor. Augenzeugen berichteten, das israelische Streitkräfte während ihrer Razzia auch eine Hauptstraße in der Stadt Tulkarm im Westjordanland zerstört hätten. Zudem meldete Wafa, dass
Soldaten in die Stadt Nablus eingedrungen seien. 

Haus in die Luft gesprengt

Sie hätten das Haus eines Mannes in die Luft gesprengt, dem Israel einen Angriff im April im Westjordanland vorwarf, bei dem eine Frau und ihre zwei Töchter getötet wurden. Moas al-Masri, der für diesen Angriff verantwortlich gemacht wurde, war bereits im Mai in Nablus von israelischen Soldaten getötet worden.Während des Einsatzes hat das israelische Militär nach Angaben einer palästinensischen Gefangenenvertretung im gesamten Westjordanland mindestens 55 Palästinenser festgenommen.

"Bedeutender Fortschritt" bei Gaza-Krieg-Verhandlungen

Bei den schwierigen internationalen Verhandlungen über eine Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der militanten Palästinenser-Organisation Hamas in Kairo hat es laut dem ägyptischen Staatsfernsehen "bedeutenden Fortschritt" gegeben.

Demnach setzen die Vermittler Ägyptens, Katars sowie der USA und Vertreter der Hamas am Montag ihre Gespräche in der ägyptischen Hauptstadt fort. Sie bemühen sich seit Wochen um ein Abkommen u. a. für eine Waffenruhe vor Beginn des Ramadan.

Der islamische Fastenmonat beginnt in diesem Jahr am Sonntag, 10. bzw. Montag, 11. März. Zentral bei den Verhandlung geht auch um die Freilassung der immer noch 130 Geiseln in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen im Gegenzug für die Freilassung in Israel inhaftierter Palästinenser. Derzeit liegen ausgehandelte Vorschläge auf dem Tisch, wonach die Kämpfe im Gazastreifen für sechs Wochen unterbrochen werden sollen. Die Hamas soll israelische Geiseln im Austausch für Palästinenser in israelischer Haft freilassen.

Netanjahu: "Werden nicht kapitulieren"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte vor der neuen Verhandlungsrunde über einen Geiseldeal ein Einlenken der Hamas gefordert. "Wir unternehmen große Anstrengungen, um erfolgreich zu sein, aber eines ist Ihnen klar - wir werden vor den wahnhaften Forderungen der Hamas nicht kapitulieren", sagte er am Sonntagabend in Tel Aviv. Während US-Vizepräsidentin Kamala Harris eine sofortige Waffenpause forderte, verkündete Israels Armee die Tötung weiterer Terroristen.

Vor Netanjahus Ansprache hatte in Kairo ein weiteres Treffen der Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten stattgefunden, dem Israel jedoch - anders als die Hamas - zunächst fernblieb. Israel verlangt von den Islamisten zunächst unter anderem eine Liste der noch lebenden Geiseln in ihrer Gewalt. Es sei zu früh, zu sagen, ob es in den nächsten Tagen ein Konzept für einen Deal geben werde, machte Netanjahu deutlich.

40 Geiseln für 400 Palästinenser?

Israel will auch wissen, ob die Hamas der im letzten Vorschlag der Vermittler genannten Zahl an palästinensischen Häftlingen zustimmt, die im Austausch gegen Geiseln freizulassen wären. In Medienberichte hatte es zuletzt geheißen, 40 Geiseln könnten gegen 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. Er habe noch keine Antwort auf seine Fragen bekommen, sagte Netanyahu. Er weise "den internationalen Druck zurück, den Krieg zu beenden", bevor Israel alle Ziele erreicht habe. Ob mit oder ohne neue Vereinbarung, "wir werden bis zum totalen Sieg kämpfen", bekräftigte Netanyahu.

Die Pattsituation bei den schwierigen indirekten Verhandlungen könnte zu einem Problem für die Bemühungen der Vermittler um eine Feuerpause werden. Die in London erscheinende katarische Tageszeitung "Al Araby Al Jadid" zitierte einen ranghohen Hamas-Funktionär mit der Aussage, dass sich seine Organisation nicht zur Herausgabe einer Geiselliste zwingen lasse. "Dafür ist ein hoher Preis zu zahlen, in Form einer Linderung des Leids der Menschen in Gaza und eines umfassenden Waffenstillstands", sagte er der Zeitung. Der Vermittlervorschlag sieht nach US-Angaben lediglich eine sechswöchige Waffenruhe vor.

Harris drängte auf Waffenruhe

US-Vizepräsidentin Kamala Harris drängte indes auf eine Waffenruhe. "Die Bedrohung, die die Hamas für das israelische Volk darstellt, muss beseitigt werden", sagte Harris am Sonntag in Selma im US-Staat Alabama. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen fügte sie hinzu: "Und angesichts des unermesslichen Ausmaßes des Leids in Gaza muss es eine sofortige Feuerpause mindestens für die nächsten sechs Wochen geben, was derzeit auf dem Tisch liegt."

"Unser Herz bricht (...) für all die unschuldigen Menschen in Gaza, die unter dem leiden, was eindeutig eine humanitäre Katastrophe ist", sagte Harris bei einer Veranstaltung anlässlich des Jahrestags der blutigen, rassistisch motivierten Niederschlagung einer Bürgerrechtsdemonstration durch die Polizei im Jahr 1965. "Die Menschen hungern, die Bedingungen sind unmenschlich", forderte Harris die israelische Regierung auf, deutlich mehr Hilfe in das Küstengebiet zu lassen uns neue Grenzübergänge zu öffnen. Diesbezüglich gebe es "keine Ausreden".

Israel: Ranghohes Hamas-Mitglied getötet

Das israelische Militär gab die Tötung eines für die Rekrutierung von Terroristen zuständigen Hamas-Mitglieds bekannt. Mahmoud Muhammad Abd Khad sei auch an der Beschaffung von Geldern für den Terrorismus und zur Unterstützung der militärischen Aktivitäten der Hamas beteiligt gewesen, teilte die Armee am Sonntagabend mit. Er sei in Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst bei einem Luftangriff im zentralen Abschnitt des abgeriegelten Küstengebiets getötet worden. 

Zuvor hatte die Armee berichtet, dass bei einem weiteren Einsatz im Norden des Gazastreifens "mehr als 100 Terroristen" getötet worden seien. Zudem seien 35 Einrichtungen der Terroristen der Hamas und des Islamischen Jihad, darunter Waffenlager und Produktionsanlagen, zerstört worden. "Dutzende Terroristen" seien festgenommen worden. Ferner habe die Armee Hunderte Abschussrampen und Abschussvorrichtungen entdeckt und zerstört. Keine dieser Angaben konnte unabhängig überprüft werden.

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