Nach Wahl: Razzia gegen Oppositionelle in Russland

Oppositionsführer Nawalny auf einer Demonstration im Februar
Kreml-Kritiker: "Größter Polizeieinsatz in der Geschichte des modernen Russlands". Angeblich 1.000 Polizisten im Einsatz.

Wenige Tage nach den Regionalwahlen in Russland hat die Polizei Dutzende Büros von Mitarbeitern des Regimekritikers Alexej Nawalny durchsucht. Mehr als 1.000 Polizisten hätten Material und Computer aus rund 40 Büros im ganzen Land mitgenommen, sagte Nawalny am Donnerstag in einem Video.

Auch die Privatwohnungen einiger Anhänger seien durchsucht worden. Es seien quer durchs ganze Land in mindestens 39 Städten mehr als 150 Adressen betroffen, teilte der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow mit. Nawalny warf den Behörden "Hysterie" vor und führte die Durchsuchungen auf Verluste des Kremls bei den Wahlen in Moskau am Sonntag zurück. Nawalny sprach vom "größten Polizeieinsatz in der Geschichte des modernen Russlands". "Wir haben noch nie so einen heftigen Schlag erlebt", twitterte auch Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch.

Wohnungen von Freiwilligen durchsucht

Der Einsatz "betrifft nicht nur Büros und Wohnungen unserer Koordinatoren, sondern auch die Wohnungen von Angestellten und Freiwilligen", erklärte Wolkow in einer Twitter-Kurzbotschaft. Die Razzien der Polizei seien auf Nawalnys Aufruf an die Wählerschaft zurückzuführen, bei der Kommunalwahl durch "intelligentes" Abstimmungsverhalten die Kritiker des Kreml zu stärken. Dadurch habe sich gezeigt, dass "wir eine politische Kraft sind", fügte Wolkow hinzu.

Durchsuchungen gab es nach Angaben von Nawalnys Unterstützern unter anderem in den Städten Nischni Nowgorod, Wladiwostok, Kazan, Jekaterinburg, Nowosibirsk, St. Petersburg und Perm.

Als offiziellen Grund für die Polizeiaktion seien Ermittlungen gegen den sogenannten Fonds zur Bekämpfung von Korruption wegen angeblicher Geldwäsche genannt worden, hieß es. Nach Angaben der Behörden soll es dabei um eine Summe von einer Milliarde Rubel (13,7 Mio. Euro) gehen. Nawalny wies die Vorwürfe als absurd zurück.

Anti-Korruptions-Stiftung im Visier

Bereits im August hatte die Justiz Ermittlungen gegen Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung FBK eingeleitet. Gegen den Fonds wurde der Verdacht erhoben, Geldwäsche in einem Umfang von einer Milliarde Rubel betrieben zu haben. Die Stiftung hatte immer wieder zu Korruptionsfällen bekannter Politiker recherchiert, unter anderem hatte sie auch über Regierungschef Dmitri Medwedew berichtet. Neue Enthüllungen richteten sich gegen die Moskauer Stadtführung.

Die Zeitung "The Bell" vertrat die Ansicht, die Polizei-Razzien sollten verhindern, dass sich der Wirkungskreis von Nawalnys Stiftung von den großen Städten in die Provinz ausweitet. So sollten künftige Wahlniederlagen Kreml-treuer Kandidaten verhindert werden.

Nawalny und sein Team hatten wegen des Ausschlusses Oppositioneller von den Regionalwahlen regelmäßig zu Protesten in Moskau aufgerufen. Bei der Wahl am vergangenen Sonntag musste die Regierungspartei Geeintes Russland vor allem in der Hauptstadt herbe Verluste hinnehmen. Nawalny hatte zu einer "smarten Stimmabgabe" aufgerufen, bei der die Bürger alle wählen sollten - nur nicht die Kandidaten der Kremlpartei. "Wladimir Putin ist nervös", sagte Nawalny. Er räche sich nun, weil Nawalny ihm Stimmen weggenommen habe. Die Behörden wollten nun die Oppositionellen einschüchtern und unter Druck setzen.

Bei der Kommunalwahl am Sonntag hatte Regierungskandidaten 25 von 45 Sitzen im Stadtparlament errungen, 13 weniger als vor fünf Jahren. Landesweit gewannen bei den Gouverneurswahlen jedoch die vom Kreml unterstützten Kandidaten.

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