Die zum Protest angetretenen Milizen werfen Richter Tarek Bitar Befangenheit vor. Dieser ermittelt die Umstände zur verheerenden Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat vor einem Jahr. Sie verwüstete Beiruts Hafenviertel, tötete 605 Menschen und verletzte 6.200. Die Lagerhalle mit dem explosiven Stoff hatte der Hisbollah gehört. Als einer ihrer Minister die Vorladung des Richters einfach ignorierte, schrieb dieser ihn zur Fahndung aus. Die Hisbollah-Milizionäre fordern deshalb einen „transparenteren“ Juristen an die Spitze der Ermittlungen. Wenn nicht, drohen sie mit „politischer Eskalation“.
Die Hisbollah sitzt als Teil der neuen Regierungskoalition nur am Rande der Regierung. Aber als einzige Miliz, die seit dem Bürgerkrieg 1975-1990 nicht abrüsten musste, ist sie ein „Staat im Staate“. Ihr gegenüber steht Richter Bitar. Die Medien nennen ihn den „Unbestechlichen“.
Er zeigt sich kaum in der Öffentlichkeit, gehört keiner Partei an und meidet jeden Kontakt mit den Mächtigen. Die Presse des Landes hat kaum Bilder von ihm. „Er lässt sich von keinem unter Druck setzen“, heißt es unter Juristen. Seine drei Kinder gehen unter Militärschutz zur Schule.
Durch iranische Hilfe und internationalen Drogenhandel ist die Hisbollah finanziell unabhängig. Ihre Miliz ist weit stärker ausgerüstet als die libanesische Armee.
Kommt hinzu: Seit 2019 sind in Libanon die politischen wie wirtschaftlichen Verhältnisse so angespannt wie nie zuvor.
Damals platzte die Finanzblase, die durch eine künstliche Anbindung der Lira-Währung an den Dollar entstand. Die einmal so stabile Landeswährung verlor fast 90 Prozent an Wert. Für den Wiederaufbau der zerstörten Häuser ist kein Geld da. Benzin und Strom sind knapp, die Nahrungsmittel ebenso. Zudem hat der kleine Libanon 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge zu versorgen.
In dieser dunklen Zeit steht Tarek Bitar seinen einsamen Kampf. Einer, der von Mördern bedroht wird, wie Dutzende libanesische Unbestechliche vor ihm. Einer gegen Alle – die in einem neuen Bürgerkrieg nur verlieren können.
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