"Vater aller Populisten“ oder "Jesus Christus der Politik“
Für den früheren Regierungschef Mario Monti war Berlusconi der "Vater aller Populisten“, er selbst nannte sich einmal "Jesus Christus der Politik“. Immer wieder gab es Vorwürfe von Interessenkonflikten zwischen seinem Amt und dem von ihm kontrollierten Medienimperium Mediaset. Auch musste er sich zahlreichen Gerichtsprozessen stellen.
Im Zusammenhang mit einer Strafe wegen Steuerhinterziehung wurde er 2013 aus dem Parlament ausgeschlossen und durfte in den folgenden Jahren keine öffentlichen Ämter ausüben. Er klagte dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Zuletzt war er Abgeordneter im Senat, der kleineren der zwei Parlamentskammern in Rom.
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Im März 2015 wurde er im „Bunga-Bunga“-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch in letzter Instanz freigesprochen. Auch ein Folgeverfahren wegen Zeugenbestechung endete mit einem Freispruch. Seiner Beliebtheit bei vielen Italienern taten die Konflikte mit dem Gesetz aber keinen Abbruch.
Im Zuge der Finanzkrise hatte er 2011 endgültig als Ministerpräsident abtreten müssen. Immer wieder versuchte er das politische Comeback für ein Spitzenamt. Doch die rauschende Rückkehr auf die ganz große Bühne gelang dem „Cavaliere“ nicht - auch sein letzter Traum, Staatspräsident zu werden, platzte Anfang 2022.
Herzschrittmacher
Gesundheitlich hatte Berlusconi in seinen letzten Jahren immer wieder große Probleme: 2016 wurde er am Herz operiert, 2020 musste er wegen einer Corona-Infektion und einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Auch 2022 wurde er wegen einer Harnwegsinfektion stationär behandelt. Bereits 1997 wurde er wegen eines Tumors an der Prostata operiert. Schon seit mehreren Jahren hatte er zudem einen Herzschrittmacher. Zuletzt wurde bekannt, dass er an chronischer Leukämie leidet.
Seine Forza Italia, die er bei den Parlamentswahlen 1994 aus dem Stand zur größten Partei gemacht hatte, schrumpfte im Stiefelstaat immer weiter zusammen. Das lag auch daran, dass Berlusconi kaum politische Erben zuließ und Forza Italia immer mit seinem Namen verbunden war. Immerhin schaffte sie es als kleiner Partner von Giorgia Meloni im Herbst 2022 noch mal in die Regierung.
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Auch privat sorgte Berlusconi stets für Schlagzeilen. Der zweimal geschiedene Politiker hinterlässt fünf Kinder und viele Enkel. Zuletzt war er mit der Forza-Italia-Abgeordneten Marta Fascina zusammen, die mehr als 50 Jahre jünger war als Berlusconi.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) würdigte Berlusconi als prägende Figur der europäischen Politik. "Als ehemaliger Ministerpräsident Italiens hat Silvio Berlusconi die politische Landschaft unseres Nachbarlandes und Europas geprägt", schrieb Nehammer auf Twitter zum Ableben Berlusconis. "Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt in diesen schweren Stunden seinen Angehörigen und dem italienischen Volk." "Wir verlieren einen großen Italiener", erklärte der Chef der rechten Lega Matteo Salvini. "Der Tod Berlusconis bedeutet das Ende einer Ära, für uns ist sein Ableben ein großer, enormer Schmerz", sagte Verteidigungsminister Guido Crosetto.
Auch die Opposition würdigte Berlusconis Rolle in der Politik. "Wir haben unterschiedliche Welten vertreten, doch wir waren nie Feinde", kommentierte der Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi. "Berlusconi hat die Geschichte unseres Landes geschrieben. Sein Tod betrifft uns alle", betonte der ehemalige Premier und früherer Chef der Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta. Auch Berlusconis Fußballclub AC Monza trauert um den Medientycoon, der von 1986 bis 2017 auch Eigentümer des Erstligisten AC Milan war.
"Für mich war Silvio ein teurer Mensch, ein echter Freund", schrieb Russlands Präsident Wladimir Putin in seinem Beileidstelegramm an Italiens Präsident Sergio Mattarella. Er habe stets die Weitsicht und die ausgewogenen Entscheidungen Berlusconis bewundert und sich bei ihren Treffen von Berlusconis Humor und Lebensfreude anstecken lassen. Berlusconis Tod sei ein "unersetzbarer Verlust und ein tiefes Unglück", hieß es weiter.
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