Ministerpräsident, Milliardär, Medientycoon, geliebt und gehasst: Wie kein anderer prägte Berlusconi die politischen Jahrzehnte Italiens. Nun ist er mit 86 Jahren gestorben.
Erst am 30. März war Silvio Berlusconi nach einem viertägigen Aufenthalt im Krankenhaus entlassen worden. Damals hieß es, es handle sich um Routineuntersuchungen. Keine Woche später, am 5. April, wurde er wegen Atemprobleme und Verdacht auf Leukämie wieder eingeliefert. Jetzt ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.
Je nach politischer Orientierung war Berlusconi Liebes- oder Hassobjekt: Seine Anhänger verziehen ihm Lügen, Interessenkonflikte zwischen seinem politischen Amt und seinem Medienimperium, Steuerhinterziehung und seine Eskapaden. Die bekannteste: die "Bunga-Bunga-Affäre", bei der ihm Sex-Partys mit Minderjährigen nachgesagt wurden. Die Marokkanerin Karima el-Mahroug alias "Ruby" kannte danach die ganze Welt.
Für seine Gegner war er Italiens Verdammnis schlechthin. Ein Blender, ohne Respekt vor den Institutionen und nur seine Interessen und Geschäfte im Blick. Keines seiner Versprechen habe er gehalten, im Gegenteil, das Land sei auch wegen ihm politisch und gesellschaftlich verroht.
Den Weg in die Politik hatte ihm der Korruptionsskandal "Tangentopoli", der Anfang der 90er-Jahre die unlauteren Machenschaften, die Korruption und die schwarzen Kassen der Parteien offenlegte und das ganze System zum Einsturz brachte, gebahnt. Berlusconi, damals erfolgreicher Bauunternehmer und Medientycoon, nutzte die Gunst der Stunde.
Rasanter Aufstieg
Am 25. Jänner 1994 wandte er sich über seine TV-Sender an die Italiener: "Italien ist das Land, das ich liebe, hier liegen meine Wurzeln. Ich gehe in die Politik, weil ich nicht in einem illiberalen Land leben möchte." Er profilierte sich als Bollwerk gegen die Kommunisten und versprach, Italien politisch und wirtschaftlich auf einen liberalen Kurs zu bringen.
Als lebender Beweis seiner Versprechen gewann er wenige Monate nach der Gründung seiner Forza Italia die Parlamentswahlen. Mit ihm begann die One-Man-Politik. Seinem Beispiel folgten der Komiker Beppe Grillo, Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, und Florentiner Matteo Renzi, den Berlusconi gerne als Ziehsohn für sich gewonnen hätte.
Tiefer Fall
Doch Berlusconi war schon lange nicht mehr der Cavaliere, der "Ritter", der er einst war. Viermal war er zwischen 1994 und 2011 Ministerpräsident. 2011 musste er wegen der dramatischen Finanzkrise Italiens seinen Posten für den Wirtschaftsprofessor Mario Monti räumen.
Der tiefe Fall kam 2013, als er wegen Veruntreuung, Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung in seinem Medienimperium Mediaset zu vier Jahren Haft verurteilt worden war und für sechs Jahre nicht mehr kandidieren durfte. Die Haftstrafe wurde altersbedingt in Sozialarbeiten in einem Altersheim umgewandelt.
Berlusconi war ein Kämpfer. Aufgeben war keine Option. 2019 kam das Comeback, 2020 wurde er ins EU-Parlament gewählt. Im Vorjahr folgte, nach den italienischen Parlamentswahlen, seine Wiederkehr in den Senat.
Glanzloser Abschied
Dass er nicht mehr Premier werden konnte, war ihm bewusst; dass ihn aber Premierministerin Giorgia Meloniimmer wieder abblitzen ließ, ihm nicht die nötige Achtung schenkte, verletzte ihn tief. Zuletzt versuchte er, sich selbst die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen: Mehrmals hob er angesichts des Krieges in der Ukraine zur Verteidigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin an, profilierte sich als leidenschaftlicher Pazifist.
Zuletzt machten ihm Alter und zunehmende Gesundheitsprobleme zu schaffen, bei seinen letzten öffentlichen Auftritten musste er gestützt werden. Das Reden wurde für ihn zur Qual.
Rückblickend war es ein trauriger Abschied eines der schillerndsten und umstrittensten Protagonisten, der wie kein anderer die italienische Politik in den letzten drei Jahrzehnten geprägt hat.
Was aus seinem politischen Vermächtnis wird, ist unklar: Berlusconi hat niemanden designiert. Will man den Gerüchten Glauben schenken, könnte die Tochter Marina, 56 Jahre alt, Vorsitzende der Finanzholding Fininvest, in seine politischen Fußstapfen treten. Es heißt, sie habe eine gute Beziehung zu Premierministerin Meloni.
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