Lösung für Kurden-Konflikt möglich
In der Türkei steht demnächst eine wichtige Zäsur bevor. Der bereits über 30 Jahre andauernde Konflikt der militanten kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit der Türkei steht möglicherweise vor einer Lösung: Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan will zum kurdischen Neujahrfest (Newroz) am Donnerstag einen Waffenstillstand verkünden. Dies habe Öcalan ihm bei einem Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali bestätigt, sagte der Parlamentarier Selahattin Demirtas von der pro-kurdischen BDP am Montag in Istanbul. In den vergangenen Wochen hatte die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan weitreichende Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Die kurdische Bevölkerung begann bereits am Wochenende mit den Feiern.
Zehntausende Kurden forderten am Sonntag die Freilassung des Rebellenchefs aus türkischer Haft. Bei einer Kundgebung zum kurdischen Neujahrsfest in Istanbul trugen Demonstranten Spruchbänder mit der Aufschrift "Freiheit für Öcalan". Eigentlich wird Newroz erst am kommenden Donnerstag gefeiert, die wichtigste pro-kurdische Partei in der Türkei, die Partei für Frieden und Demokratie (BDP), setzte die Feierlichkeiten aber auf mehrere Tage an.
Seit 14 Jahren inhaftiert
Der seit 14 Jahren inhaftierte Öcalan verbüßt auf der Gefängnisinsel Imrali eine lebenslange Haftstrafe. Seit Dezember verhandelt er mit dem türkischen Geheimdienst MIT über eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts. Es wird erwartet, dass Öcalan zu Newroz einen einseitigen Waffenstillstand der PKK ausruft, der das Ende des seit drei Jahrzehnten dauernden Kurden-Konflikts mit mehr als 40.000 Todesopfern einläuten soll.
Im Gegenzug für einen endgültigen Gewaltverzicht der Rebellen verlangen Öcalan und die PKK vom türkischen Staat die Garantie politischer und kultureller Rechte für die rund zwölf Millionen Kurden im Land. Das soll auch im Zuge der derzeit laufenden Allparteiengespräche über eine neue Verfassung erreicht werden. Das Ziel eines eigenen Kurden-Staates hatte die PKK bereits vor Jahren aufgegeben. Er glaube heute an den Friedenswillen des türkischen Staates, ließ Öcalan vor rund zwei Jahren verlauten.
Türken unterstützen Kurden-Politik Erdogans
Nach einer Umfrage unterstützen mehr als zwei Drittel der türkischen Wähler die Kurden-Politik Erdogans. Einige PKK-Forderungen hat Erdogan bereits erfüllt. So darf Kurdisch künftig als Wahlfach in der Schule unterrichtet werden. Zudem verabschiedete das Parlament Ende Jänner ein Gesetz zur Zulassung der kurdischen Sprache vor Gericht. Bis vor kurzer Zeit war der öffentliche Gebrauch des Kurdischen einem generellen Verbot unterlegen.
Auch wird künftig der Besuch von Ehepartnern bei kurdischen Gefangenen gestattet. Die Verwendung ihrer Muttersprache vor Gericht war eine der Hauptforderungen Hunderter kurdischer Gefangener in der Türkei gewesen, die ihren Hungerstreik nach 68 Tagen im vergangenen November beendet hatten. Eine weitere demonstrative Geste gab es Mitte Februar: Die türkische Justiz ließ mehrere inhaftierte kurdische Bürgermeister frei.
Öcalan galt lange Zeit als "Staatsfeind Nummer eins" der Türkei. Vor 14 Jahren, im Februar 1999, war er auf dem Weg zum Flughafen der kenianischen Hauptstadt Nairobi von türkischen Agenten festgenommen worden. Danach wurde er auf die Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul gebracht und dort wenige Monate später verurteilt.
40.000 Menschen umgekommen
Die Festnahme war ein politischer Triumph für Ankara, doch den Kurden-Konflikt konnte der Zugriff nicht beenden. Inzwischen sind mehr als 40.000 Menschen den Gefechten zwischen Öcalans PKK und den türkischen Sicherheitskräften zum Opfer gefallen, die 1984 begannen.
Auch hinter Gittern ist Öcalan für viele Kurden eine wichtige Persönlichkeit geblieben. Nicht zuletzt deshalb setzte sich in Ankara die Ansicht durch, ein Frieden könne nicht ohne Öcalan ausgehandelt werden. Seine Haftbedingungen wurden verbessert. Nach zehn Jahren Einzelhaft für Öcalan wurden im Jahr 2009 einige Mithäftlinge nach Imrali verlegt. Das Eis begann auch weiter zu schmelzen: Vor einigen Wochen erhielt der PKK-Chef erstmals einen Fernseher.
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