„Der größte Unterschied zum Regime Saddam Husseins? Dass Saddam weg ist“

epa02536369 An Iraqi electrician checks the wires leading to a block of flats and all connected to a generator which runs when the national power grid is down, in Baghdad's Karrada district, Iraq, 18 January 2011. A local governor in Iraq's oil-rich north Abdul-Rahman Mustafa cut the electricity going to Baghdad from a power station in Kirkuk because his own constituents only have three hours of power each day and because of the failure of negotiations with Iraq's Electricity Ministry to share the power generated at a plant in Taza station, south of Kirkuk. EPA/ALI ABBAS
Acht Jahre nach der US-Invasion beherrschen Autobomben, Strom- und Wassermangel den Alltag.

Bombenanschläge, Korruption, politisches Chaos: Auch acht Jahre nach dem Krieg und dem Sturz von Diktator Saddam Hussein bleibt die Lage im Irak äußerst angespannt. Allein im Juli starben bei Anschlägen von Selbstmordattentätern rund 260 Menschen. Auch der für Jahresende angekündigte Abzug von 47.000 US-Soldaten verunsichert die irakische Bevölkerung. „Die Menschen sind hoffnungslos, haben Angst vor der Zukunft. Das Land ist gespalten. Der größte Unterschied zum Regime Saddam Husseins? Dass Saddam weg ist“, erzählt der 49-jährige Adel A. aus Bagdad dem KURIER. Sein Alltag werde von Autobomben, Strom- und Wassermangel dominiert.

Wegen betrügerischer Geschäfte in Millionenhöhe wurde der irakische Elektrizitätsminister im August aus dem Amt entlassen. Dieser Fall ist bezeichnend für die Situation im Irak, wo Korruption und Misswirtschaft an der Tagesordnung stehen.

Die Infrastruktur verfiel während der Kriege und des Wirtschaftsembargos gegen Saddam Hussein. Die meisten Iraker haben heute weniger als sechs Stunden Strom pro Tag. „Jeder Haushalt, der es sich leisten kann, hat aufgrund der häufigen Stromausfälle ein dieselbetriebenes Aggregat aus China zur Stromerzeugung im Garten stehen“, erzählt Adel A. am Telefon.

Die in den 60er-Jahren durchgeführte Modernisierung der Städtearchitektur trägt zur misslichen Lage bei: Man wandte sich von traditionellen Bauweisen ab und plante breite Siedlungen am Stadtrand. „Alle grünen Gürtel um Bagdad wurden vernichtet; die Straßen extrem verbreitert. Wüstenluft und Sandstürme ziehen damit direkt in die Stadt hinein.“

Immer weniger Wasser

Auch die Wasserversorgung werde sich in den nächsten Jahren verschlimmern, befürchtet der 49-Jährige. Die Nachbarländer Syrien, Iran und die Türkei bauen große Staudämme, kontrollieren die Wasserführung und verringern dabei kontinuierlich den Wasserstand der in den Irak fließenden Flüsse Euphrat und Tigris. Laut UNO sind seit dem Bau mehrerer türkischer Dämme einige Regionen im Irak – wie das Marschland von Mesopotamien – nahezu vollständig ausgetrocknet.

„Unsere chaotische Regierung wird von unseren Nachbarn ausgenutzt. Man bedient sich unserer schlechten Lage, missbraucht die Nachbarrechte“, ärgert sich Adel A. im Gespräch. Sollte die gegenwärtige Situation anhalten, so die Tageszeitung Al Sabah, würden bis 2030 zwei Drittel der besiedelten Gebiete infolge von Dürre unbewohnbar sein, das früher wasserreiche Zweistromland würde sich in eine große staubige Wüste verwandeln.

Proteste

Immer öfter tragen die Iraker mittlerweile ihren Unmut auf die Straße, blicken dabei auch auf die arabischen Revolutionen. „Fast alle Iraker haben die Ereignisse mit großem Interesse und solidarischem Mitgefühl verfolgt“, erklärt der in Wien lebende Iraker Salih Al-Hashimy. „Im Irak demonstriert man auch, aber nicht mehr gegen ein diktatorisches Regime, sondern wie in anderen Demokratien für mehr Arbeitsplätze, bessere Löhne, Wohn- und Lebensbedingungen.“

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