Moria-Brand: "Wenn sie das Feuer selber legten, taten sie das einzig Richtige"
Von Schlafplatz zu Schlafplatz gingen die griechischen Polizisten auf Lesbos am Donnerstag in den frühen Morgenstunden. Sie sollten die nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria obdachlosen Menschen in ein neues, provisorisches Zeltlager bringen. Mehrere Tausend Flüchtlinge und Migranten sind dort – teilweise freiwillig – bereits angekommen. Viele weigern sich jedoch, weil sie fürchten, dort erneut monatelang festzusitzen.
Am Samstag müssen sich vier junge Männer aus Afghanistan einer ersten Anhörung stellen. Sie sollen für den Brand im Lager Moria verantwortlich sein. Die Staatsanwaltschaft der Insel wirft ihnen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Brandstiftung vor. Die 19- und 20-Jährigen sind am Dienstag festgenommen worden. Zwei verdächtige 17-Jährige sollen am Montag vor Gericht erscheinen.
Lob für die Brandstifter?
Am Donnerstag sorgte ein Tweet der NGO Sea-Watch für heftige Diskussionen und Kritik. Die Seenotretter hatten auf ihrem Twitter-Account einen Kommentar der Autorin Mely Kiyak geteilt, in dem die Zustände in Moria beschrieben sind. Der Tweet zitierte aus dem Text: „Wenn sie das Feuer selber legten, taten sie das einzig Richtige.“
Mehrere User kritisierten die NGO dafür und stellten ihre Glaubwürdigkeit infrage. Indem die Organisation eine Straftat rechtfertige, zeige sie ihre wahre Persönlichkeit.
Die kurdischstämmige deutsche Autorin Mely Kiyak, deren Kommentar im Schweizer Online-Magazin Republik erschienen ist, ist bekannt für ihre provokanten politischen Kommentare unter anderem auch in der Zeit, Welt oder der Frankfurter Rundschau. Im Zentrum ihrer Beiträge steht oft die kritische Auseinandersetzung mit Migrations- und Integrationspolitik. Etwa schrieb sie 2006 in der Zeit: "Von den Immigranten zu verlangen, sich mit Haut und Haar einem diffusen Deutschsein auszuliefern, von dem die Deutschen selbst nicht wissen, was das sein könnte, ist vermessen."
In die Kritik war Kiyak 2012 geraten, als sie den Migrationskritiker und Ex-SPDler Thilo Sarrazin als "lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur" bezeichnete. Sie entschuldigte sich später für die Formulierung.
Sea-Watch: Kritik gewohnt
Die Seenotrettungs-Organisation Sea-Watch, die sich ausschließlich durch Spenden - unter anderem der evangelischen Kirche - finanziert, ist ebenfalls schon mehrmals in die Kritik geraten. Neben der Rettung von Migranten im Mittelmeer verfolge sie aktiv Politmarketing mit Kritik an der EU-Asylpolitik. Mehrere Zwischenfälle, unter anderem durch den Verstoß gegen Anlandeverbote (durch die dadurch bekannt gewordene Kapitänin Carola Rackete, die sich auch für die Aufnahme von Umweltflüchtlingen aus Afrika in Europa stark machte) sorgten für großes Medienecho in alle Richtungen.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wirft der NGO vor, durch ihre Seenotrettungsmissionen Schlepper zu unterstützen und als so genannter Pull-Faktor für weitere Migranten zu dienen.
Laut Zeugenaussagen von Flüchtlingen gegenüber dem Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums Illegale Migration des deutschen Bundesinnenministeriums sollen Schlepper die Tracking-Funktion der Seenotretter nutzen, um Abfahrten aus Libyen zu koordinieren.
Andere Vorwürfe sind "moralischer Narzissmus" und keine Verantwortung für die Folgen des Ablieferns von Migranten in "sicheren Häfen" in Europa zu tragen.
"Verzweiflungstaten als einzige Handlungsoption"
Sea-Watch wollte sich gegenüber dem KURIER nicht von dem Tweet distanzieren: "Wir haben einen Kommentar einer angesehenen Kolumnistin in einem angesehenen Magazin geteilt. Den Inhalt des Artikels sollte man selbstverständlich gelesen haben, um das Zitat einordnen zu können und ist dementsprechend dem Tweet angeheftet", heißt es aus der Presseabteilung bei Sea-Watch.
"Ob man sich anschließend auf die Seite von rassistischen und menschenverachtenden Kommentatoren und Kommentatorinnen auf Twitter stellt, oder anerkennt, dass die europäische Grenzpolitik Menschen in eine Lage bringt, die ihnen nur Verzweiflungstaten als Handlungsoption lässt, bleibt selbstverständlich jedem und jeder selbst überlassen.“
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