In Paris kam gestern abermals ein Dutzend EU-Minister zusammen. In einer Art Koalition der Willigen suchte man nach einem Verteilungsmechanismus – und scheiterte. Migrationsexperte Demetrios Papademetriou wundert dies alles wenig.
Der Mitbegründer des in den USA und in Brüssel tätigen Migration Policy Instituts kritisiert seit Jahren das Fehlen einer konzisen, europäischen Migrationspolitik.
KURIER: Warum lässt sich in der EU eine gemeinsame Migrationspolitik nicht durchsetzen?
Demetrios Papademetriou:
In Europa haben wir ein Patchwork von verschiedenen Maßnahmen je nach Mitgliedsstaat. Wir brauchen eine gemeinsame Migrationspolitik. Aber derzeit gibt es einen fundamentalen, gegenseitigen Mangel an Vertrauen der Staaten untereinander, wie Migrationspolitik aussehen soll. Ich glaube daher nicht, dass Brüssel in naher Zukunft darüber entscheiden wird, wie viele Flüchtlinge ein Staat aufnimmt.
Was würden Sie anders machen? Was muss Europa tun, um die illegale Migration einzudämmen?
Europa muss endlich seine eigenen Gesetze durchsetzen. Grob geschätzt sind von 100 Menschen, die auf EU-Boden ankommen, 25 bis 35 asylberechtigt, sie bekommen also vollen Schutz. Weitere 35 bis 45 haben keinen Anspruch auf Asyl, das wären also illegale. Migranten. Und Europa muss diejenigen, die nicht hierbleiben dürfen, schnell und entschlossen abschieben. In der Mitte gibt es noch jene, die nicht schutzberechtigt sind und die nicht zurückgeschickt werden können. Diese Leute bekommen vorübergehenden Schutz, bis der Staat Mittel und Wege findet, sie zurückzuschicken, oder wenn Umstände in seinem Heimatland anders geworden sind.
Ich wünschte, ich könnte sagen, irgendein EU-Land macht einen guten Job. Aber das kann ich nicht, Europa macht einen lausigen Job. Und diese Abschiebungen soll man öffentlich sehen: Andere Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, sollen die Botschaft erhalten: Versuch erst gar nicht auf diesem illegalen Weg zu kommen!
Aber legale Wege für einen Flüchtling nach Europa zu kommen, gibt es doch so gut wie nicht.
Ideal wäre es, wenn Asyl-Ansuchen erst gar nicht in der EU gestellt würden. Denn wer erst einmal auf EU-Territorium ist, für den starten die legalen Verfahren. Und dann dauert es Monate, oft Jahre. Wir müssen die Verfahren beschleunigen und die Menschen zurückschicken, ehe sie hier Wurzeln fassen. Aber wenn Asyl außerhalb der EU angesucht werden soll, in Kooperation mit dem UNHCR, müssen das die EU-Staaten dann auch respektieren.
Und dann muss Europa eine Art von Verteilungsmechanismus entwickeln, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt. Auch Ungarns Premier Orban muss dann Flüchtlinge aufnahmen. Das werden aber kleine Zahlen sein.
Wo außerhalb Europas sollen Menschen überprüft werden, ob sie asylberechtigt sind?
Das muss ein stabiler und sicherer Platz sein, also nicht Libyen. Es gab die Idee, es in Ägypten zu machen. Man befürchtet, dann würde dort Chaos drohen, riesige Camps entstehen und die abgewiesenen Menschen würden sich dennoch weiter übers Mittelmeer nach Europa wagen. Aber nach einer gewissen Weile würde sich eine Ordnung etablieren. Wenn das System funktioniert, senden wir die illegal Angekommenen sofort nach Ägypten. Dort würde man ihr Ansuchen bearbeiten. Man muss das in Fünf-Jahreseinheiten denken. Natürlich: Jeder wird jeden klagen. Alle NGOs, alle Aktivisten werden Berichte schreiben. Jeder wird sagen: „Diese schrecklichen Europäer!“ Aber es wird sich ändern.
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