Während die Union aus der Corona-Krise mit einem fast aberwitzig gutem Ergebnis rauskommt und statt bisher 26 bei 36 Prozent liegt, bewegt sich in der SPD wenig. Die 15 Prozent kleben an ihr wie Kaumgummi an den Schuhen.
Nur einer konnte gewinnen: Olaf Scholz. Als Finanzminister und Merkel-Vize nützte er seine Präsenz und wirkte plötzlich wie verwandelt. Was ist nur mit Olaf Scholz los, fragte man sich angesichts ganz neuer Töne des sonst so kühlen Mannes: Mit "Wumms" wollte er aus der Krise kommen und zückte die "Bazooka" - also die staatlichen Hilfsgelder. Damit legte er in Umfragen zu, in einer aktuellen Befragung des Kantar-Instituts für die Zeitungen der Funke Mediengruppe gaben 42 Prozent an, Scholz sei der geeignetste mögliche Bewerber der Partei für das Kanzleramt. 40 Prozent der Befragten gaben an, Scholz sei ihrer Meinung nach nicht geeignet. Unter den SPD-Anhängern liegt er hingegen klar vor seinen Parteikollegen: 72 Prozent der SPD-Anhänger favorisieren ihn in der Umfrage als Kanzlerkandidaten.
Hält die SPD geschlossen zu ihm?
Rückendeckung bekommt Scholz vor allem von den SPD-Ministern und der Bundestagfraktion. Selbst einige Kritiker mischten sich unter die Gratulanten. "Wenn jemand uns durch die Coronakrise und den dann nötigen Umbau unserer Wirtschaft führen kann ist es Olaf Scholz", twitterte Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der Partei und Gegner der Großen Koalition. Selbst Juso-Chef Kevin Kühnert fand zuletzt Lob für Scholz' Krisenmanagement in der Pandemie.
Unklar ist, wie sich die vielen anderen Genossen, denen Scholz mit seinem Mitte-Kurs zu konservativ war, positionieren. Enttäuscht zeigt sich etwa die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis und Vorsitzende des Forums "Demokratische Linke 21", Hilde Mattheis. Sie könne die Entscheidung des Parteivorstands für Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nicht nachvollziehen, sagte der Augsburger Allgemeinen. "Das Rezept der vergangenen Jahre, im Milieu der konservativen und liberalen Wähler zu fischen, wird auch dieses Mal nicht aufgehen", prognostiziert sie. Sollten sich ihrer Meinung noch mehr Genossen anschließen und dies öffentlich kund tun, wäre Scholz' Wahlkampf schon getrübt, bevor er überhaupt erst angefangen hat.
Die Episoden der Selbstzerfleischung um ihr Spitzenpersonal haben der SPD in den vergangenen Jahren allerdings massiv geschadet. Sie wäre also gut beraten, sich mehr oder weniger geschlossen hinter Scholz zu stellen – damit wäre sie der CDU, die nach wie vor keinen neuen Vorsitzenden hat und sich für die Nach-Merkel-Ära sortieren muss, schon einiges voraus.
Die Bilder von der Pressekonferenz, Scholz umringt von seinen früheren Rivalen Esken und Walter-Borjans, die ihn einst verhindern wollten, könnten immerhin ein Anfang sein, der zum Umdenken führt. Sein Abrücken von der schwarzen Null kam bei bisherigen Kritikern gut an – mehr investieren, das ist auch das, was Walter-Borjans und Esken stets forderten.
Stellt sie nun die Frage mit welchem Programm wird Scholz ins Rennen gehen? Wie viel Esken und Walter-Borjans stecken dann im Papier? Will er im Teich von Grün-Wählern fischen? Auf Merkel-Anhänger zugehen, die sich enttäuscht von ihrem Nachfolger abwenden?
Erfolge vs. Abgrenzung
Olaf Scholz hat jedenfalls den Vorteil, dass er anders als seine Vorgänger Peer Steinbrück und Martin Schulz mitten im Regierungs-Geschäft steht. Als Merkel-Vize kann er auf Erfolge verweisen, gleichzeitig muss er den Balanceakt meistern und sich von dieser Koalition abgrenzen können: Denn eine weitere Auflage der Großen Koalition lehnen viele Genossen ab. Schon vor einem Jahr ließ er dazu im Tagesspiegel wissen: "Drei große Koalitionen in Folge würden der Demokratie in Deutschland nicht guttun."
Wird sich Scholz als künftiger Kanzler eines rot-rot-grünen Bündnisses positionieren? Und wenn ja, mit welchem Anspruch? Für internen Unmut sorgte da die jüngste Aussage von Parteichefin Saskia Esken, die sich ein solches Bündnis auch unter grüner Führung vorstellen könnte (also mit einem grünen Kanzler). Wie eine der mitgliederstärksten Parteien bei Wählern ankommt, wenn sie selber keinen Führungsanspruch mehr stellt, kann man sich ausmalen. Wenn Scholz für eine Chance sieht und gewinnen will, wird er zuallererst das kommunikative und strategische Chaos in der Partei bewältigen müssen.
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