Merkel und Erdoğan: Amikaler Abschied einer schwierigen Beziehung

Merkel und Erdoğan: Amikaler Abschied einer schwierigen Beziehung
Die deutsche Regierungschefin absolvierte ihren wohl letzten offiziellen Besuch beim türkischen Präsidenten.

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demokratieverständnis, Unabhängigkeit der Justiz: Themen, zu denen die Standpunkte Angela Merkels und  Recep Tayyip Erdoğans wohl unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines jedoch haben die beiden gemein: Sie sind die am längsten amtierenden  Regierungschefs  Europas. Merkel ist seit 2005 Kanzlerin, Erdoğan seit 2003 Ministerpräsident und später Präsident. Man kennt einander seit Langem, erduldete manches, stritt immer wieder, aber redete stets miteinander.

Nun zum wohl allerletzten Mal – zumindest mit Merkel in der Position als amtierende Bundeskanzlerin Deutschlands.

Der türkische Präsident hat die deutsche Regierungschefin am Samstag zu einem Abschiedsbesuch in Istanbul empfangen – es war Merkels zwölfte Reise in die Türkei als Kanzlerin. Man traf einander zu letzten Gesprächen  in der Präsidentenvilla im Stadtteil Tarabya am Bosporus. Auf der Agenda standen unter anderem die Rolle der Türkei als NATO-Partner, das Flüchtlingsabkommen mit der EU und die bilaterale Beziehung der Länder.

Streitpunkt Migration

Beim Thema Migration spielt Ankara eine wichtige Rolle für Deutschland und die EU. Die Türkei hat bereits rund 3,7 Millionen Geflüchtete aus Syrien sowie Hunderttausende Migranten aus anderen Ländern, etwa aus Afghanistan aufgenommen.

Merkel und Erdoğan: Amikaler Abschied einer schwierigen Beziehung

Nicht immer ging es in dieselbe Richtung, doch es wurde stets miteinander geredet.

Merkel ist Mitarchitektin des sogenannten Flüchtlingspakts von 2016 zwischen der Türkei und der EU. In dem Rahmen erhält die Türkei unter anderem finanzielle Unterstützung für die Syrer im Land. Die EU hat der Türkei weitere Gelder in Aussicht gestellt. Erdogan hat zuletzt aber mehrmals deutlich gemacht, dass er nicht dazu bereit sei, weitere Geflüchtete etwa aus Afghanistan aufzunehmen.

Die Akzeptanz für Migranten sinkt angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und massiven Inflation in der Türkei - Erdogan steht deshalb auch innenpolitisch unter Druck und schottet sein Land weiter ab. An der Grenze zum Iran, über die viele Afghanen illegal einreisen, wird zurzeit eine Mauer gebaut.

Merkels goldene Regel

Stichwort Afghanistan: Merkel rief den türkischen Präsidenten bei dem Treffen  auch zu mehr Zusammenarbeit im Umgang mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan auf, um eine erneute Flüchtlingskrise zu verhindern. Die Türkei – das einzige muslimische NATO-Land – bemüht sich derzeit um einen guten Draht zu den Taliban.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und der Bundesregierung waren in den letzten Jahren turbulent. Besonders im Jahr 2017 hatte die Inhaftierung deutscher Staatsbürger das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara schwer belastet. Ein Tiefpunkt war erreicht, als Erdoğan im selben Jahr auch die Kanzlerin persönlich mit Nazi-Vergleichen attackierte. Inzwischen haben sich beide Seiten wieder angenähert.

Merkels goldene Regel: Reden hilft. Das hat selbst bei Erdoğan für Eindruck gesorgt: Die Kanzlerin sei in der Türkei immer als "respektierte europäische und weltweite Führungspersönlichkeit" angesehen worden, hieß es aus Regierungskreisen. Erdoğan unterstrich, er hoffe, auch mit der neuen  deutschen Regierung gut zusammenarbeiten zu können.

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