Merkel geht – und wohin ihre CDU?

Merkel geht – und wohin ihre CDU?
Neue Parteispitze: Am Freitag gibt Angela Merkel gibt den Parteivorsitz ab. Drei Anwärter wollen sie ablösen.

Noch bevor einer der Bewerber am Wort war, zückten die Berliner CDU-Mitglieder ihre Smartphones, schossen Fotos von Jens Spahn, Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Denn drei Kandidaten, die sich auf offener Bühne bei landesweiten Regionalkonferenzen messen, das gab es noch nie. So klingen CDU-Politiker dieser Tage ganz selig („Am liebsten hätten wir ja alle drei“). Oder sprechen von der „Qual der Wahl“. Schwierig wird die Entscheidung der Delegierten allemal; es geht vielleicht auch um den Kanzlerkandidaten und den künftigen Kurs der Partei.

Wenn man sich unter Mitgliedern umhört, ergibt sich ein gemischtes Bild. Wertkonservative stimmen ein Klagelied an: Merkels liberaler Kurs sei Schuld, die Partei müsse ihr Profil schärfen – Merz sei der Richtige. Andere nennen die als Mitte-Politikerin bekannte AKK als Wunsch-Nachfolgerin, um Merkels-Kurs fortzusetzen.

Merkel geht – und wohin ihre CDU?

Merz, Kramp-Karrenbauer, Spahn – Roadshow-Rivalen im Kampf um Angela Merkels Nachfolge.

Wohin die Reise geht, ist schwer auszumachen. Es lohnt aber ein Blick auf jüngste Wählerwanderungen in Bayern und Hessen: CDU und CSU verloren gleichermaßen an Grüne und AfD. Sie profitierten von der zerstritten wirkenden Berliner Koalition, die Ökos boten zudem eine bürgerliche Alternative mit Aufbruchsstimmung an.

Sicherheit & Sozial?

Davon war in den vergangenen CDU-Wahlkämpfen auf Bundesebene wenig zu spüren: Die Visionen fehlten, lieber verließ sich die Kanzlerin auf sich selbst („Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“). Doch das reichte nicht, wenn die Konkurrenz am rechten Rand suggeriert, die Probleme zu kennen.

Für Merkels Nachfolger wird sich also die Frage stellen: Wie schafft die CDU den Spagat zwischen Sicherheit und Sozialem? Wie lassen sich Wählerschaft und Partei zusammenhalten? Für politische Experten wie Ursula Münch gilt es, alle Strömungen zu vereinen – liberal, sozial, konservativ – und die Milieus zu verbinden. Nur so könne die CDU noch Volkspartei bleiben. Dass sie das noch ist, zeigte sich auch bei den Regionalkonferenzen von Düsseldorf, Halle bis Berlin. Was die Menschen umtrieb: Wohnen, Pflege, Bildung, Digitalisierung, Steuern, und Sicherheit. Wobei je nach Region das innerparteiliche Streitthema mehr oder weniger Raum einnahm: die Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Zeitweise versuchten sich die zwei aussichtsreichsten Kandidaten Merz und AKK mit Sprüchen zu überbieten. Sie will nach Syrien abschieben, er vermittelte den Eindruck, am Asylrecht basteln zu wollen. Kurz: Sie tappten in die Falle, Probleme nur zu beschreiben. Das bringt zwar Applaus, letztlich aber Enttäuschung. Denn wenn Merz mutmaßt, das Grundrecht auf Asyl sei der Grund, warum Flüchtlinge in Deutschland großzügiger aufgenommen werden, liegt er nicht nur inhaltlich falsch – sondern bedient sich einer gefährlichen Strategie. Nachdem klar wurde, dass er falsch lag (die meisten sind wegen Europa- und Völkerrecht hier, Anm.), relativierte er. Prompt sah er sich in Halle mit einem Fan konfrontiert: Herr Voss, ein älterer Herr, bat ihn keinen Rückzieher zu machen. Musste er aber. Nach rechts blinken, dann zurückziehen – das vergrault jene, die sich Hardliner wünschen, und verprellt Christlichsoziale.

Unter liberaleren CDU-Politikern ist man unglücklich über die Themensetzung: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht treiben lassen von jenen, die uns eh nie gewählt haben“, warnte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Er will die Partei breit aufgestellt sehen – im Bund durchaus in einer Jamaika-Koalition wie in Kiel. Diese decke die Breite der Bevölkerung ab: „Wir hätten heute eine völlig andere Stimmung, da hätten alle davon profitiert, auch die FDP“, sagte er zum KURIER.

Der Wunsch nach Konsens in einer Großen Koalition ist nach den jüngsten Regierungskrisen enden wollend, der Wunsch nach einer spannenderen Politik und lebhafteren Debatten groß – bei Funktionären und Wählerschaft. Der Wettbewerb um Merkels Nachfolge ist schon einmal ein erster Schritt.

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