Medien zu Wiederaufbauprogramm: "Rüstet Kurz zum Fernduell mit Merkel?"
Deutschland und Frankreich wollen die Folgen der Corona-Krise in Europa mit einem Hilfspaket abfedern. Ein Fonds mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro soll dazu geschnürt werden. Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aus den eigenen Reihen unterstützt wird - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Ex-Finanzminister, arbeitet gemeinsam mit dem Präsidenten der französischen Nationalversammlung, Richard Ferrand, an einer gemeinsamen Erklärung, - hat der Plan auch Gegner.
Nein aus dem Norden und aus Österreich
Einige EU-Länder, darunter die Niederlande und Österreich, haben Vorbehalte dagegen, gemeinsame Schulden aufzunehmen und dieses Geld als Zuwendung an Krisenregionen zu geben. Die als Kredit aufgenommenen Mittel dürften auch nur als Kredit weitergereicht werden, hieß es zum Beispiel vonseiten der österreichischen Regierung. Die als Kredit aufgenommenen Mittel dürften auch nur als Kredit weitergereicht werden, heißt es zum Beispiel vonseiten der österreichischen Regierung.
Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, er habe sich mit den Regierungschefs der Niederlande, Dänemarks und Schwedens ausgetauscht. "Unsere Position bleibt unverändert", schrieb Kurz auf Twitter. "In den nächsten Tagen werden wir einen Vorschlag mit eigenen Ideen vorlegen. Wir glauben, dass es möglich ist, die europäische Wirtschaft anzukurbeln und dennoch eine Vergemeinschaftung der Schulden zu vermeiden", erklärte er den Oberösterreichischen Nachrichten.
"Rüstet der junge Regierungschef in Wien gerade zu einem weiteren Fernduell mit Angela Merkel?" fragte der Spiegel in seiner Analyse. Andere Medien sehen in ihren Kommentaren jedenfalls eine schwierige Aufgabe auf Merkel und Macron zukommen. Ein Überblick:
Neue Zürcher Zeitung, Zürich
"Wie immer man zu dem Vorhaben steht, die deutsch-französische Initiative bringt neuen Schwung in die Debatte über den Ausweg aus der Krise. Zuletzt hatten sich die Finanzminister aus Nord und Süd in endlosen Videokonferenzen gezankt, ohne sich näherzukommen. Aber auch die wohlinszenierten Ankündigungen der Kommissionspräsidentin von der Leyen von großen Rettungspaketen wirkten mehr surreal als beruhigend, weil dahinter keine handfeste politische Macht stand (...) Doch der Weg wird jetzt erst recht mühselig. Der Fonds kann nur geschaffen werden, wenn alle 27 Staaten und ihre Parlamente Ja sagen. Die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Paris besteht zunächst darin, dass die Franzosen die Länder im Süden und die Deutschen jene im Norden von dem Vorhaben zu überzeugen versuchen."
Financial Times, London
"Der französisch-deutsche Vorschlag für einen 500 Milliarden Euro umfassenden Wiederbelebungsfonds zur Behebung wirtschaftlicher Schäden durch die Corona-Pandemie ist ein bedeutender Durchbruch im Streben nach Solidarität zwischen den EU-Staaten. Lange Zeit hat Berlin sich französischen Ambitionen für eine größere fiskalische Lastenteilung widersetzt. Das Argument, dass sonst die Stabilität der Eurozone gefährdet sei, drang einfach nicht durch. Die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für umfangreiche Geldtransfers an Stelle von Krediten in stark betroffene Regionen, die durch eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU finanziert werden, ist ein bedeutendes Zugeständnis. Es entspricht der Schwere dieser Krise und der Notwendigkeit einer mutigen Antwort. (...) Jene Handvoll Regierungen - namentlich von Österreich, Dänemark, den Niederlande und Schweden -, die misstrauisch sind hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Plans und der Folgen für die Schulden- und Ausgabenpolitik der EU, würden gut daran tun, ihn nicht zu blockieren oder seine Kerneigenschaften nicht zu verwässern."
Politiken, Kopenhagen
Die liberale dänische Tageszeitung "Politiken" empfahl der Regierung in Kopenhagen mitzuziehen. "Wir sollten zu demselben in der EU beitragen ‐ sowohl für den Zusammenhalt als auch für uns selbst. Als Exportnation haben wir ein enormes Interesse daran, dass auch der Rest der EU schnell wieder auf die Beine kommt."
Corriere della Sera, Mailand
"Auch ohne auf den Ausgang der Debatte zu warten, um zu verstehen, wie weit Österreich, Dänemark, Holland und Schweden ihren Widerstand treiben wollen, sind die Signale insgesamt positiv. Wieder einmal zeigt sich Merkel, die vor kaum einem Monat noch gegen die Idee einer gemeinsamen Verschuldung war, als taktische Meisterin, wenn sie den Moment nutzt und die entscheidenden Weichen stellt."
De Tijd, Brüssel
"Die Arbeitslosenquote in Deutschland wird nach Prognosen der Europäischen Kommission im nächsten Jahr auf vier Prozent steigen, die in Italien auf zwölf. Der Schock trifft asymmetrisch, und auch die Erholung wird so erfolgen. Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gewaltige politische Kehrtwende vollzogen. Sie scheint nun bereit zu sein, zu akzeptieren, dass die Europäische Union selbst Geld leihen und es dort ausgeben kann, wo es die meisten Corona-Toten gab."
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