Martin Selmayr: EU-Spitzenbeamter ab jetzt in Österreich

Martin Selmayr gestikuliert während einer Rede
Vom Generalsekretär der EU-Kommission zu deren Vertreter: Was Jean-Claude Junckers rechte Hand von Brüssel nach Wien verschlug

Es war nicht unbedingt der nächste logische Karriereschritt für Martin Selmayr. Nach seinem Brüsseler Job als Generalsekretär der EU-Kommission – als Nr. Zwei hinter Präsident Jean-Claude Juncker – ist der 48-jährige deutsche Topdiplomat dieser Tage in Wien angekommen. Er wird in Zukunft Vorsitzender der Vertretung der EU-Kommission in Österreich sein und damit Nachfolger von Jörg Wojahn, der die Leitung der Kommissionsvertretung in Berlin übernimmt.

Vom wichtigsten Beamten der EU in Brüssel – nach Wien. Das findet Selmayr nicht unlogisch. Die Vertretung in Österreich sei schon vor fünf Jahren seine „Wunschposition“ gewesen, erklärte Selmayr am Donnerstag vor österreichischen Journalisten. „Doch dann ist mir Juncker dazwischengekommen.“

Seit 2014 arbeitete Martin Selmayr für Jean-Claude Juncker und handelte sich durch seinen Fleiß aber auch durch sein – oft umstrittenes – Durchsetzungsvermögen einen Ruf ein. Er war zunächst Kabinettchef des Präsidenten, wurde am 21. Februar 2018 stellvertretender Generalsekretär und stieg noch am selben Tag zum Generalsekretär auf.

Mit der Bestellung von Ursula von der Leyen als neue Kommissionschefin musste der Bonner weichen. Inoffiziell gilt es, nicht zu viele mächtige Positionen in der EU mit Personen aus demselben Mitgliedstaat zu besetzen. Doch die Gegner seiner oft als rücksichtslos beschriebenen Gangart sollen in diesem Fall besonderen Druck ausgeübt haben.

Österreich-Freund

Selmayr gibt sich als Österreich-Freund. Er hat kurz nach der Wende in Passau studiert und es habe ihn immer interessiert, was „östlich“ war, erzählte er am Donnerstag bei seiner Antrittspressekonferenz emotional. Den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verfolgte er 1995 hautnah an der Grenze bei Passau. Was der Wegfall der Grenzen und „Europa in der Praxis“ bedeuten, müsse man ohnehin viel öfter in Erinnerung rufen.

Die Vertretung der Kommission in den Mitgliedstaaten habe in den vergangenen Jahren an Wichtigkeit gewonnen. Unter Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hätten sie eine Aufwertung erlebt und sind mittlerweile wichtige politische Berichterstatter für die Kommission. „Heute sind sie direkte Vertreter des Präsidenten in den Mitgliedstaaten“, sagt Selmayr, und werden „gerade bei schwierigen Themen der Europäischen Kommission zu Rate gezogen“.

Eine Vertretung zu leiten sei auf jeden Fall eine „sehr, sehr spannende Funktion“ – insbesondere in Österreich, da sich der Fokus der EU in den nächsten Jahren auch stark auf die Verständigung von Ost und West legen wird. „Brückenbauer“ wolle er sein, sagt Selmayr. Und mehrmals betont der Deutsche, dem nachgesagt wird, noch größere Pläne für seine Zukunft zu haben, dass er die vollen fünf Jahre in Wien bleiben wird.

Vorschusslorbeeren aus Österreich gab es bereits: Vor wenigen Tagen erhielt er das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik, weil er sich während Österreichs Ratsvorsitz hinter den Kulissen kräftig um Kompromisse bemüht hatte.

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