Der jüngste Präsident in der Geschichte Frankreichs (Macron war 39 Jahre alt, als er 2017 Präsident wurde) liebt die Bühne, den überraschenden Auftritt, ist gerne der "Visionär", der "Vorprescher", so loben einige Medien. Andere nennen sein Verhalten unüberlegt, rücksichtslos. Scholz hingegen gilt als zurückhaltend, Kritiker bevorzugen die Worte zaudernd, zögernd, unemotional und spröde. Erkennbar werden die Unterschiede etwa beim Posieren für Fotos: Macron gibt sich lässig vor der Kamera, eine Hand in der Hosentasche, während Scholz mit zusammengekniffenem Mund lächelt, eine Hand in die andere gelegt, als wolle er sich festhalten.
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Am stärksten spiegeln sich die gegensätzlichen Persönlichkeiten aber in der Interpretation ihrer Ämter: Zwar ist Macron auch durch die französische Verfassung mit enorm vielen Befugnissen ausgestattet. Diese Machtfülle trifft auf ein enormes Selbstbewusstsein. "Macron schaltet sich stark in die Tagespolitik ein, obwohl dies eigentlich Aufgabe seiner Premierministerin ist", erklärt der Politologe Dominik Grillmayer vom Deutsch-französischen Institut. Scholz’ persönliche Zurückhaltung und sein fehlendes Führungsvermögen fielen noch stärker auf durch das machtverteilende, föderale deutsche System und eine schwierige Regierungskoalition aus drei Parteien, bei der die Kompromissfindung mühsam und langwierig ist.
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Wer führt wen?
Vielleicht, schreibt die deutsche Zeit, fehlt der Beziehung auch eine klare Rollenverteilung, wie es sie bei Scholz' Vorgängerin Angela Merkel und Macron gab: "Macron war ambitioniert, Merkel steuerte mit viel Erfahrung das europäische Schiff." Zwar ist auch Scholz zwanzig Jahre älter als Macron, gegenüber europäischen Staats- und Regierungschefs besäße aber der Franzose mehr Erfahrung.
Dennoch wüssten beide, "dass es nicht ohne Partner geht. Weder Frankreich noch Deutschland können ihre Positionen im vereinten Europa allein durchsetzen. Sie brauchen einander", so Grillmayer.
Was beide aktuell jedenfalls eint: Die Staatsmänner stehen innenpolitisch unter großem Druck. Erst sorgte Macrons Pensionsreform, nun der Tod eines 17-Jährigen durch einen Polizisten für Unruhen; in Deutschland streitet Scholz‘ Regierungskoalition in aller Öffentlichkeit. Und bekanntlich können auch Not und Notwendigkeit zusammenschweißen.
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