Eliteschule abgeschafft: Macron erfüllt Forderung der Gelbwesten
Emmanuel Macron machte einst selbst seinen Abschluss auf der École Nationale d’Administration, kurz ENA, der Kaderschmiede der französischen Elite in Straßburg. Und jetzt schließt er sie, weil der „soziale Aufzug“ oder die soziale Durchlässigkeit heute weniger gut funktioniere als vor 50 Jahren, als auch noch Kinder aus nicht privilegierten Familien die schweren Aufnahmeprüfungen schaffen konnten.
Keine Aufsteiger mehr
Ein guter Abschluss bei der ENA bedeutete nämlich fast automatisch eine große Karriere. Die ENA war ein Türöffner für die Topetagen in Verwaltung, Diplomatie, Politik und Privatwirtschaft.
Die Eliteuniversität ENA mit Sitz in Straßburg soll jetzt durch das „Institut des Öffentlichen Dienstes“ (ISP) ersetzt werden.
Macron stößt damit eine Reform an, die ihm seit mindestens zwei Jahren durch den Kopf geht. Denn die prestigeträchtige Kaderschmiede galt ihren Gegnern als Brutstätte für einen kleinen Zirkel abgehobener Elite-Technokraten, die jede Verbindung zur normalen Bevölkerung verloren hätten. Die 2018 gewachsene Protestbewegung der Gelbwesten monierte, dass die sogenannten Enarchen die Probleme der einfachen Menschen nicht verstehen würden und von Paris aus über das Volk bestimmten.
Bereits im April 2019 versprach der Präsident, dass die ENA abgeschafft werden soll. Alle Reformüberlegungen scheiterten nämlich am Widerstand der Professoren. Das rächt sich jetzt für sie.
Macron will mit seinem Institut des Öffentlichen Dienstes mehr junge Leute aus bildungsfernen Schichten ansprechen. Er tut das auch mit Blick auf seine erhoffte Wiederwahl im kommenden Jahr. Ob beides gelingen kann, ist fraglich.
Die französische Elite benimmt sich jedenfalls zeitweise „inzestuös“, schreibt die Financial Times. Die Elitehochschule war 1945 direkt nach dem Zweiten Weltkrieg unter der provisorischen Regierung von Charles de Gaulle mit dem Ziel gegründet worden, die Rekrutierung von Spitzenfunktionären für den Staat zu demokratisieren.
ENA-Direktor Patrick Gérard musste jetzt zugeben, dass nur 19 Prozent der Studenten Kinder von Angestellten, Ladenbesitzern, Landwirten oder Handwerkern seien. Die anderen 81 Prozent kämen von teuren Privatschulen und finden daher leichter Aufnahme in den einjährigen Vorbereitungskurs (classes préparatoires) vor der eigentlichen Aufnahmeprüfung. Und die bestehen nur 80 von 1.500 Bewerbern.
Präsidentenschmiede
Praktisch alle französischen Präsidenten machten ihren Abschluss an der ENA: Macron, aber auch Valéry Giscard d’Estaing, Jacques Chirac, François Hollande sind sogenannte Enarchen, ebenso die meisten Premierminister, Minister oder die CEOs staatsnaher Firmen und großer Banken.
Dass Universitäten geschlossen werden, gehört in Frankreich zur guten Tradition. Während der Revolution (1789–1799) wurde die Sorbonne zugesperrt. Erst unter Napoleon wurden 1808 in zwölf Städten Universitäten neu gegründet. Die Aufnahmeprüfung (Concours) in die Grandes Écoles ist in Frankreich obligatorisch. Gute Zeugnisse sind daher ein Muss.
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