Lübcke-Mord: Lebenslange Haft für Neonazi Stephan E.

Historischer Prozess: Richter Thomas Sagebiel
Die Richter in Frankfurt unterstrichen bei der Urteilsverkündung am Donnerstag die besondere Schwere der Schuld.

Siebeneinhalb Monate dauerte der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, am Donnerstag wurde das mit Spannung erwartete Urteil verkündet. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Stephan E., 47, - mit langer Vergangenheit als Neonazi - hatte die Tat nach zunächst widersprüchlichen Angaben gestanden.

Markus H. war der Beihilfe angeklagt. Seine Rolle blieb uneindeutig. Er soll E. bei der Tat geholfen zu haben, indem er ihn radikalisierte und mental unterstützte. Der Mitangeklagte H. wurde am Donnerstag vom Oberlandesgericht Frankfurt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Diese lautete auf ein Jahr und sechs Monate wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Ursprünglich war H. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt gewesen. Die Staatsanwaltschaft forderte für ihn eine Haftstrafe von neun Jahren und acht Monaten. Die Verteidigung plädierte hingegen auf Freispruch, H. sei "unschuldig".

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Vor dem Gerichtsgebäude forderten Demonstranten das konsequente Vorgehen gegen Rechtsextremismus und Neonazis in Deutschland

"Historische Dimension"

Der Mord am Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 habe eine "historische Dimension" – hatte Oberstaatsanwalt Dieter Killmer in seinem Plädoyer die Bedeutung des Falles unterstrichen. Es handelt sich um den ersten rechtsextrem motivierten Mord an einem Politiker im demokratisch verfassten Deutschland.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war im Juni 2019 auf seiner Terrasse in Wolfhagen-Istha mit einem Kopfschuss getötet worden. Der Christdemokrat hatte sich 2015 für Geflüchtete eingesetzt, war danach Drohungen und Hassbotschaften ausgesetzt.

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"Auf Worte folgen Taten", hatte Irmgard Braun-Lücke, die Witwe des Politikers, im November in ihrer Zeugenaussage gesagt. Sie verfolgte wie ihre Söhne den Prozess Tag für Tag mit.

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Viele offene Fragen

Für Judith Rahner, Rechtsextremismusforscherin bei der Amadeu Antonio Stiftung, ist schwer nachvollziehbar, wie es passieren konnte, dass die Sicherheitsbehörden einen verurteilten Straftäter wie Stephan E. nicht mehr im Fokus hatten. "Das sind Männer, die sich in den 90er-Jahren radikalisierten, dann zu Familienvätern wurden, angeblich nicht mehr politisch aktiv waren und so vom Radar der Behörden verschwunden sind."

Dabei sei das Jahr 2015 für E. wie andere eine Art Erweckungserlebnis gewesen, wo sie mobilisiert worden seien, sagt die Expertin im Gespräch mit dem KURIER.

Damals begegnete Stephan E., der Stammtische der AfD besuchte, an Demonstrationen teilnahm, auch dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke. Bei einer Bürgerversammlung in Nordhessen warb dieser für mehr Toleranz und die Unterbringung von Geflüchteten. E. schrieb später unter einem Pseudonym im Netz: "Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab, oder es wird Tote geben". Für Rahner steht fest, dass etwas passieren muss: "Es hat sich gezeigt, dass Menschen durch gesellschaftliche Krisen anfangen, durchzudrehen, sich in ihren Echokammern radikalisieren, und einer beschließt, die Sache in die Hand zu nehmen."

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