Premier zurückgetreten
Als der bisherige Premierminister, Saad Hariri, Ende Oktober seinen Rücktritt erklärte, war der Jubel unter den libanesischen Demonstranten groß. Zum ersten Mal in der Geschichte des Libanon waren Menschen aus allen politischen – und damit religiösen – Lagern des Landes auf die Straße gegangen, die libanesische Flagge schwenkend. Zu wenig habe die Regierung in den vergangenen Jahren für ihre Bürger getan – die Stromversorgung bricht mehrmals täglich ab, die Müllabfuhr funktioniert nicht, die Arbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent.
Internationale Geldgeber haben ihre Darlehenszahlungen eingestellt, weil notwendige Reformen nicht umgesetzt wurden. Selbst im schiitisch dominierten Süden gingen die Menschen auf die Straße, überraschten sogar die schiitische Hisbollah. Deren Anführer Hassan Nasrallah benötigte einige Tage, um sich öffentlich zu Wort zu melden.
Doch mittlerweile hat die „Partei Gottes“ ihre Anhänger mobilisiert: In der Nacht auf Montag versuchten Hisbollah-Anhänger, den Märtyrerplatz zu stürmen, sie legten Feuer bei den Zelten. Nur durch den Einsatz der libanesischen Armee konnten sie zurückgedrängt werden.
Soldaten haben rings um den Platz Straßensperren errichtet, einige liegen auf Kartons, ruhen sich aus. „Wir sind der Armee zutiefst dankbar für ihren Einsatz. Es ist gut, zu wissen, dass sie uns und unsere Revolution schützen“, sagt Hassan.
Dass sich seine Träume von unbelasteten Politikern erfüllen, ist angesichts der politischen Lage unrealistisch: In dem Land, das von langen Bürgerkriegen gezeichnet ist, herrscht ein strenges Proporzsystem: Der Präsident muss Christ, der Premier Sunnit und der Parlamentspräsident Schiit sein – so soll ein politisches und religiöses Gleichgewicht gehalten werden können.
Und dagegen baut sich im gesamten Land Widerstand auf. Zusätzlich brodelt es immer wieder zwischen Hisbollah und Israel – im Spätsommer war eine israelische Drohne bei Beirut abgestürzt. Als Reaktion feuerte die Hisbollah einige Panzerabwehrraketen gen Israel.
Mittendrin: Die UN-Mission UNIFIL, an der auch 184 österreichische Soldaten teilnehmen. „Die Lage ist ruhig, aber instabil“, sagt Oberstleutnant Alois Dohr zum KURIER. Er und seine Soldaten sind im Camp Naqoura, ganz in der Nähe der sogenannten „Blue Line“, der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und dem Libanon, stationiert.
Hauptsächlich sind die Österreicher für die Versorgung der 10.500 UN-Soldaten aus 43 Nationen zuständig. Angesichts der Spannungen im Land ist das nicht immer einfach: „Oft werden die Straßen mit Sperren blockiert, unsere Kraftfahrer haben oft mit langen Stehzeiten zu rechnen“, sagt ein Soldat. Bis zu 100 UN-Fahrzeuge betreiben die Österreicher im Libanon, sind auch für Reparaturen und Wartung zuständig.
Zusätzlich stellen die österreichischen Soldaten die Campfeuerwehr, die sich auch bei den landesweiten Waldbränden im Sommer auszeichnen konnte. Durch die Misswirtschaft der ehemaligen libanesischen Regierung sind die Feuerwehren landesweit marod, verfügen nicht über die notwendige Ausrüstung.
Auf Befehl des UNIFIL-Kommandanten rückten die Österreicher aus und unterstützten ihre libanesischen Kollegen tatkräftig, seitdem bilden sie regelmäßig Freiwillige Feuerwehren aus dem Libanon aus.
Ob es im Land zu einem politischen Flächenbrand kommen wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Derzeit können die Parteiführer, die allesamt die Schrecken des Bürgerkriegs erlebt haben, ihre Gefolgsleute im Zaum halten. Die Frage ist, wie lange Reformen auf sich warten lassen.
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