Leiser Tod aus der Luft: Türkische Drohnen als Geheimwaffe der Ukraine
Fast lautlos und vergleichsweise langsam sind sie unterwegs. Trotz ihrer 650 Kilogramm, verteilt auf zwölf Metern Spannweite, sind sie in knapp sieben Kilometern Höhe vom Boden aus kaum zu sehen. Die Bayraktar-Kampfdrohnen sind in diesem Krieg zum Ass im Ärmel der ukrainischen Armee geworden. Zu ihrer bevorzugten Beute gehören Panzer, Kampfschiffe und Luftabwehrgeschütze. Die Ukraine soll nur über maximal 26 dieser Drohnen verfügen – doch die reichen aus, um die russische Schwarzmeerflotte in Schach zu halten.
Gebaut werden die hochmodernen Drohnen in der Türkei vom Rüstungskonzern Baykar Defense. Bayraktar bedeutet auf Deutsch "Fahnenträger", es ist aber auch der Familienname des Firmengründers Özdemir Bayraktar. Dessen Söhne Haluk und Selçuk haben das Familienunternehmen zu einem Imperium ausgebaut: Haluk als Geschäftsführer, Selçuk als technischer Direktor, Leiter des Drohnenprogramms und Kopf hinter der Entwicklung des modernen Typs TB2.
Die vergleichsweise großen und schweren Kampfdrohnen können mittels Autopilot abheben, fliegen und landen. Zum Abschuss der angebrachten Präzisionsraketen oder Bomben braucht es dagegen einen Piloten und einen Schützen – allerdings reicht es auch, wenn die Hunderte Kilometer entfernt in einem Lkw sitzen.
Einsätze im Irak, in Syrien und Armenien
Selçuk Bayraktars Schwiegervater, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, ließ die tödlichen Drohnen erstmals beim Kampf gegen kurdische Milizen im Nordirak einsetzen. Dank ihrer Wärmekamera waren sie problemlos in der Lage, die verschanzten kurdischen Soldaten bei vollautomatischen Aufklärungsflügen aufzuspüren – und derart effektiv, dass die türkische Armee in der Region keine Bodentruppen mehr einsetzen müssen.
Später kamen die TB2 auch bei Kämpfen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im syrischen Bürgerkrieg sowie 2020 als Teil der Armee Aserbaidschans bei Konflikten mit Armenien zum Einsatz. Doch erst die Erfolge der von der ukrainischen Armee eingesetzten Bayraktar-Drohnen ließ erkennen, wie überlegen das türkische Produkt anderen Kampfdrohnen ist.
Erst im vergangenen Oktober hatte die ukrainische Regierung in weiser Voraussicht zwanzig TB2-Drohnen gekauft, bis zum russischen Angriff am 24. Februar waren aber erst, je nach Quelle, zwischen zwölf und 16 von ihnen geliefert worden. Gerade wegen dieser geringen Zahl hatten internationale Militärexperten sie nicht als Gefahr für das russische Militär mitsamt seiner modernen Luftabwehr eingeschätzt. Sie lagen falsch.
Mythos für die ukrainischen Verteidiger
In nur einer Woche zerstörten die ukrainischen Bayraktar-Drohnen ein russisches Luftabwehrsystem, drei Landungsboote, einen Panzerverband und zerschlugen einen Konvoi tschetschenischer Truppen kurz vor Kiew. Seither gehen die Abschüsse durch Drohnen in diesem Tempo weiter. Sie werden aber auch zum Transport von Munition auf ukrainischem Gebiet sowie zur automatischen Aufklärung genutzt.
Die enorme Effektivität der Bayraktar bringt sogar die türkische Regierung unter Druck, die sich in dem Konflikt bisher stets neutral zu geben versucht. Nachdem die Ukraine im März zwanzig weitere Drohnen von Baykar Defense gekauft hatte, wies das türkische Außenministerium in einer Stellungnahme darauf hin, dass es sich nicht um militärische Hilfe, sondern ein Geschäft mit einem Privatunternehmen handle.
Weil die Drohnen auch noch hochauflösend filmen können, wird jeder Abschuss mittels einer Bayraktar von der ukrainischen Armee genüsslich für die eigenen Propaganda genutzt. Die Drohnen sind inzwischen zum Symbol des Widerstandes und einer Art Mythos für ukrainische Soldaten geworden.
Neben einem Handy-Spiel, bei dem man eine ukrainische Drohne steuert, hat die Armee ihr sogar ein Lied gewidmet. Zum Schluss heißt es dort: „Sie nutzen alle Arten von Waffen, (...) wir haben darauf nur eine Antwort: Bayraktar.“
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