Leere Zettel, bewaffnete Wahlhelfer: So liefen die Scheinreferenden ab

Leere Zettel, bewaffnete Wahlhelfer: So liefen die Scheinreferenden ab
Die russisch besetzten Gebiete in der Ostukraine wollen noch heute den Beitritt zur Russischen Föderation beantragen. Doch frei und geheim waren die Scheinreferenden keinesfalls.

93 Prozent in Saporischschja, 87 Prozent in Cherson, 98 Prozent in Luhansk und 99 Prozent in Donetsk. Geht es nach den russischen Truppen, haben die Ostukrainer mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt.

Doch frei, fair und geheim dürfte die Wahl nicht gewesen sein, und mit demokratisch ablaufenden Abstimmungen kaum zu vergleichen.

Mit der Waffe bis vor die Haustür

Bilder zeigen Wahlhelfer, die gemeinsam mit Kalaschnikows ausgestatteten russischen Soldaten von Haus zu Haus ziehen und an die Türen klopfen, und empfehlen, "für Russland" abzustimmen.

Auch Fotos vom Auszählen der Wahlurnen fand man in den sozialen Medien, auf denen leere, nicht ausgefüllte Zettel in die Kamera gehalten und anschließend auf den "Ja"-Stapel gelegt wurden.

Vor den Wahllokalen standen bewaffnete russische Soldaten. Einzelne ukrainische Bürgerinnen und Bürger demonstrierten gegen die "Referenden".

Leere Zettel, bewaffnete Wahlhelfer: So liefen die Scheinreferenden ab

Konstantin Ivashchenko (l.), der von den Russen ernannte Bürgermeister von Mariupol, mit einem Soldaten vor einem Wahllokal.

Andere Bilder zeigen Personengruppen, die in Bussen angekarrt werden, unter donnernder Musik und mit wehenden Russland-Fahnen vor den Kameras posieren und ihre Stimmzettel in die Wahlurne werfen. "Heim nach Russland", wird skandiert. Es sind Bilder für die Kremlpropaganda.

Russische Fernsehbilder zeigen zudem vollständig vermummte Soldaten, die an die Urnen schreiten. In einem Gefängnis in Donezk sollen ukrainische Gefangenen gezwungen worden sein, für eine Annexion abzustimmen.

"Eine leuchtende Zukunft"

Gleichzeitig gibt es in den sozialen Medien Videos von Abstimmenden, die vor Freude über die Abstimmung weinen, und ihren ukrainischen Pass zerreißen.

Unabhängig und auf Echtheit überprüft werden konnten die Posts in den sozialen Netzwerken allerdings nicht.

Im russischen Staatsfernsehen gab man sich große Mühe, die Scheinreferenden als legitim und transparent darzustellen. So wurden unter anderem vermeintliche ausländische "Wahlbeobachter" präsentiert - auch aus EU-Ländern, etwa aus Deutschland oder Tschechien.

Noch heute Mittwoch wollen die Separatisten bei Putin den Beitritt zur Russischen Föderation beantragen. "Die Bürger der Luhansker Volksrepublik haben eine leuchtende und blühende Zukunft gewählt", teilte der dortige Separatistenführer Leonid Passetschnik am Mittwoch auf Telegram mit. Auch die Region Saporischschja will sich noch am Mittwoch mit der Bitte um Aufnahme an Putin wenden.

Bereits heute könnte der Rat der russischen Staats-Duma einen Zeitplan für die sogenannte "Aufnahme" der vier ukrainischen Regionen in die Russische Föderation vorstellen und morgen darüber abstimmen. Schon am Freitag könnte der russische Präsident Wladimir Putin die Annexion mit seiner Unterschrift bestätigen, eine TV-Rede sei geplant. Dann hätte sich Russland völkerrechtswidrig und im Eilverfahren rund 20 Prozent der Ukraine einverleibt.

Österreich erkennt Scheinreferenden nicht an

Österreich verurteilt die Abhaltung der Scheinreferenden "aufs Schärfste". "Sie sind ein weiterer, schwerwiegender Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", schreibt das Außenministerium in einer Stellungnahme von Mittwoch. Österreich erkenne daher selbstverständlich weder die völkerrechtswidrigen Scheinreferenden noch eine Annexion ukrainischer Gebiete an.

"Mit dem gewaltvollen Versuch der Russifizierung der Ukraine, den inakzeptablen nuklearen Drohungen und der letzte Woche verkündeten Teilmobilisierung" eskaliere Russland ihren Angriffskrieg immer weiter, schreibt das Ministerium. Lebensmittelknappheit und weltweit steigende Energiepreise seien direkte Folgen des russischen Angriffskriegs und "werden durch das verantwortungslose und zynische Handeln der Russischen Föderation bewusst verstärkt". Österreich appelliere an die Führung Russlands, "ihrer Verantwortung als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gerecht zu werden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren".

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