Das ist ein radikaler Kurswechsel, den Nordkorea hier eingeläutet hat – die Wiedervereinigung mit dem Süden war stets Ziel von Kims Vorgängern, seinem Vater Kim Jong-il und dessen Vater Kim Il-sung. Die Abkehr davon machte Kim Jong-un darum auch symbolisch sichtbar: Drei Behörden für den innerkoreanischen Dialog wurden ebenso aufgelöst wie das Komitee für die friedliche Wiedervereinigung des Landes, zudem hat man das Denkmal der nationalen Einheit in Pjöngjang demontiert.
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„Mehr als Getöse“
Für Experten ist Kim Jong-uns Verhalten mehr als nur ein Bruch mit der Tradition, es stellt eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die Region dar. Nordkoreas Machthaber habe „die strategische Entscheidung getroffen, in den Krieg zu ziehen“, analysierten Experten von „38 North“, einer Abteilung des Washingtoner Thinktanks Stimson Center. Die Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel sei „gefährlicher als je zuvor – seit Anfang Juni 1950, als der Koreakrieg ausbrach“.
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Die Kriegsvorbereitungen in Nordkorea erscheinen den Experten zufolge nicht mehr nur als das „typische Getöse“ aus dem Land. „Das mag übertrieben dramatisch klingen, aber wir glauben, dass Kim Jong-un wie sein Großvater im Jahr 1950 die strategische Entscheidung getroffen hat, in den Krieg zu ziehen“, heißt es. „Wir wissen nicht, wann und wie Kim den Abzug ziehen will, aber die Gefahr geht bereits weit über die routinemäßigen Warnungen in Washington, Seoul und Tokio vor den Provokationen Pjöngjangs hinaus“. Auch der Gedanke, dass die USA Südkorea im Falle eines Angriffs unterstützen würden, könnte Nordkorea mittlerweile nicht mehr von einem Angriff abhalten, so die Experten: Es herrsche ein „fundamental falsches Verständnis“ darüber, das zu einem „Desaster“ führen könnte, heißt es in dem Bericht.
Dazu kommt, dass Pjöngjang mittlerweile potente Unterstützer hat – auch militärisch. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Kim Jong-un stärkere Beziehungen zu Moskau aufgebaut; eine Verbindung, die ihm jetzt auch in puncto Abschreckung nutzt. Für die eine Million Artilleriegranaten, die die Volksrepublik den Russen im Herbst geliefert hatte, dürfte Machthaber Kim gut entlohnt worden sein. Sein Atomwaffenarsenal umfasst laut Schätzungen 50 bis 60 Sprengköpfe.
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In Südkorea antwortete man auf die Drohungen darum auch äußerst martialisch. Präsident Yoon Suk-yeol sprach von den „überwältigenden Reaktionsmöglichkeiten“ des südkoreanischen Militärs – im Falle einer Provokation durch den atomar bewaffneten Norden werde sein Land mit einer „vielfach stärkeren“ Antwort zurückschlagen.
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