Kriege, Krisen, Atombomben: Welche Probleme das iranisch-saudische Tauwetter lösen könnte
September 2019: Drohnen iranischer Bauart schlagen in zwei Anlagen der saudi-arabischen Ölgesellschaft Saudi Aramco ein, die Ölproduktion des Landes sinkt um die Hälfte. Houthi-Rebellen aus dem Jemen beanspruchen den Anschlag für sich.
Der Vorfall ist eine von vielen Eskalationen im Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, jenen Regionalmächten, die vor allem seit dem „Arabischen Frühling“ um die Vormachtstellung in der Region kämpfen – beziehungsweise kämpften: Am Freitag einigten sich beide Staaten überraschend darauf, ihre Beziehungen in den kommenden zwei Monaten wieder aufzunehmen, auch Botschaften wieder zu eröffnen. Die Vereinbarung wurde nach Gesprächen in der chinesischen Hauptstadt Peking getroffen.
Positives Zeichen
In der gemeinsamen Erklärung Saudi-Arabiens und des Irans heißt es, man wolle gegenseitig die staatliche Souveränität respektieren und sich nicht in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen einzumischen. Zudem hätten Riad und Teheran vereinbart, ein 2001 unterzeichnetes Abkommen über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zu aktivieren.
Das könnte – bei all der gebotenen Vorsicht – der Beginn einer Entspannung in der gesamten Region sein. Denn die Rivalität zwischen beiden Ländern prägten und prägen die politische Situation in der Region massiv: Allen voran im Jemen, wo die vom Iran unterstützten, schiitischen Houthi-Rebellen seit Jahren gegen eine von Saudi-Arabien unterstützte Regierung kämpfen. Fast 400.000 Menschen kamen in diesem Krieg bisher ums Leben.
Der Chefverhandler der Houthi-Rebellen, Mohammed Abdulsalam, begrüßte die Wiederannäherung der beiden Regionalmächte am Freitag. Die Region benötige eine Wiederaufnahme „normaler Beziehungen“ zwischen den Ländern. Auch für Syrien, das einerseits im Iran einen wichtigen Verbündeten hat und andererseits vor einer Rückkehr in die Arabische Liga steht, also seine Beziehungen zu den arabischen Ländern normalisieren dürfte, könnte das Tauwetter eine große Rolle spielen.
Saudi-Arabien hatte in den ersten Kriegsjahren sunnitische Rebellen in Syrien mit Geldsummen in Milliardenhöhe unterstützt – vergebens. Mithilfe russischer Bombardements und schiitischer Milizen gelang es dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad, die Oberhand zu behalten. Dafür konnte der Iran seinen Einfluss ausbauen – wie auch schon zuvor im schiitisch dominierten Irak.
Erfolgloses Machtspiel
Auch der Libanon – in den vergangenen Jahren ebenso politischer Spielball zwischen Teheran und Riad – könnte durch eine Annäherung beider Staaten profitieren. Die dortige politische Situation ist unter anderem aufgrund des Konflikts zwischen beiden Staaten massiv verfahren. 2017, als Kronprinz Mohammed bin Salman den damaligen Premier Saad Hariri in Riad festhielt und in einer Ansprache harsche Worte gegen den Koalitionspartner, die schiitische Hisbollah führen und seinen Rücktritt ankündigen ließ. Der Versuch, den politischen Einfluss auf den Libanon zu behaupten, schlug fehl – Hariri widerrief seinen Rücktritt wenig später.
Nukleares Tauwetter?
Saudi-Arabien brach 2016 die Beziehungen zu Iran ab, nachdem Demonstranten die saudischen diplomatischen Vertretungen in Iran gestürmt hatten. Zuvor hatte Saudi-Arabien einen prominenten schiitischen Geistlichen hingerichtet, was die Demonstrationen ausgelöst hatte.
Im vergangenen Jahr näherten sich beide Seiten auf diplomatischer Ebene vorsichtig an, vor allem im Irak, aber auch im Oman fanden mehrere Gesprächsrunden statt. Sollte diese Annäherung tatsächlich fortgesetzt werden, wäre dies auch in Hinblick auf die nukleare Sicherheit im Nahen Osten eine Erleichterung: Bisher war man davon ausgegangen, dass Saudi-Arabien im Falle einer iranischen Atombombe sofort nachziehen würde.
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